verfremdet
Bewertung: 5 Punkt(e)
Früher habe ich ein psychedelisches Autoradio besessen.
»Besessen« trifft auch sehr gut das Verhalten dieses Radios, das so ein no name-Kassettengerät mit Speichermöglichkeiten für sechs Sender war und keine Rücklauftaste hatte. Oder war es doch ein altes Blaupunkt - Radio? Egal, jedenfalls hatte eine unheimliche Wesenheit von ihm Besitz ergriffen. Der Radiodämon ließ meine schönen Kassetten nämlich mit ständig wechselnder Geschwindigkeit laufen. Und weil das ja alles so tolle analoge Technik war, änderte sich mit der Abspielgeschwindigkeit auch die Tonhöhe, die Unterschiede zwischen »sehr langsam und tief« und »sehr schnell und hoch« waren dabei enorm. So klang denn Elvis manchmal wie ein Chor gemarterter Monsterwesen aus der Hölle, REM mutierten zu einem zappeligen Mückenorchester. Das hatte was. Viel Freude hat dieses Radio gebracht, wenn mehrere Leute im wagen waren und die Geräusche geknebelter Mutanten-Gesangsvereine und verrückt gewordener Drehorgeln belachen konnten.. Wenn ich alleine gefahren bin, hat es aber oft genervt.
Warum das Autoradio die Kassetten mal langsam und mal schnell gespielt hat, habe ich nie herausgefunden. Einmal habe ich gedacht, das würde mit der Temperatur zusammenhängen. Ein andernmal war ich der festen Überzeugung, die aktuelle Fahrtgeschwindigkeit würde die Abspielgeschwindigkeit beeinflussen. Ich habe geradezu darauf gewartet, daß ich einmal von der Polizei angehalten werde. Die Beamten würden mich dann fragen, warum zum Teufel ich so gerast bin, und dann hätte ich was verrücktes antworten können wie z.B. »Sopran-Elvis hat mich dazu gezwungen!«