schnaufend
Bewertung: 4 Punkt(e)Nachdem ich mit einem Schub wiedergefundener Fassung einigermaßen kühlen Blutes die Einnahmen– und Ausgabenseite meines künftigen Lebens betrachtet habe, bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß ich mir eigentlich auch ganz gut einen Sekretär leisten könnte. Als Halbtagsstelle vielleicht oder zweimal die Woche, man muß es ja nicht übertreiben. Zudem frage ich mich, wie ich so einen Sekretär langfristig beschäftigt halten könnte. Gut, was mich über diese Stellenausschreibung nachdenken ließ, war die Tatsache, daß noch etwa 2000 Seiten Luther'scher Tischgespräche mit dem Federmesser zu öffnen wären, wie auch noch einige sinologische Zeitschriften zum Teil seit Jahren dieser Arbeit harren... Doch das sind zwei, allenfalls vier Tage, natürlich auch dieser ganze schreckliche Papierkram, der mit dem Nachlass zu tun hat... Und dann? Soll ich etwa meine Blasterbeiträge zukünftig diktieren? Ich höre mich schon: »Schreiben Sie bitte: Hommingberger-Gepardenforelle, mit Bindestrich...« Nee, das geht irgendwie so gar nicht. Außerdem würden sich alle das Maul zerreißen, Sekretär, pah! hieße es, das kennen wir ja, Rex Gildo und diese Ex–Ministerpräsidenten alle. Aber nein, ich bin weder prominent noch verklemmt, und solche Pseudoarrangements wären nicht meine Sache. Zudem würden sich meine Vorstellungen von einem Liebhaber und die von einem Sekretär ziemlich ausschließen: Unter einem Sekretär stelle ich mir einen alerten jungen Mann vor oder ein fragiles Buchhalterchen wie Fernando Pessoa, während mein warum auch immer geheimzuhaltender Geliebter vermutlich kaum als Sekretär überzeugen würde, wenn er seine 150 Kilo schnaufend auf den Boden wuchtet, um einen Bleistift aufzuheben.