jucken
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Es beginnt an einer nicht genau zu definierenden Stelle, meist gerade so außerhalb der Reichweite der an die Arme gefesselten Hände und damit Fingernägel. Dem ersten Reflex des Kratzenwollens widersteht man wegen der schon vor langer Zeit gemachten Erfahrung, daß es dadurch nur schlimmer wird. Das Jucken breitet sich daraufhin an zwei nahe liegende Stellen aus, von denen man eine nun theoretisch erreichen könnte. Ideal ist es nun, wenn man nicht alleine ist, da man dem Gegenüber nur kurz erwähnen muß, daß es einen juckt und so schon die Qual weiter- und fast gänzlich abgegeben hat. Diese Methode funktioniert übrigens auch über das Schreiben von Texten, die dann jemand liest. Juckt es schon?
Ist man allein, bleibt einem nichts weiter übrig, als das lästige Spiel mitzuspielen. Schabende, hautabtragende Bewegungen mit den Fingernägeln, die wegen der Unbestimmtheit der Stelle ausgeweitet werden, führen zwar leicht zu blutigen Erlebnissen, geben einem aber das Gefühl, die maximal möglichen Gegenmaßnahmen bereits ergriffen zu haben. Nun ist es Sache des Juckreizes zu entscheiden, ob der Gequälte bereits genug gelitten hat, oder ob es vielleicht doch lohnt, seine Leidensfähigkeit zu strapazieren. Wer wahrlich viel zu lernen hat, den befällt in solchen Momenten das Jucken gleichzeitig an mehr Stellen des Körpers, als er Hände und Füße zur Verfügung hat.
Der Juckreiz verschwindet so abrupt wie er kam. Ich vermute, daß in diesem Moment ein spezielles Hormon aus der Zirbeldrüse ausgeschieden wird, das speziell die Botenstoffe der Juckreiz wahrnehmenden Nervenzellen blockiert. Ich nenne die Transmitter Kretzine und das blockierende Hormon Dormosin.