Wiesenblumen

Zum Abschied (adieu) in jener Nacht hast Du mir ins Ohr geflüstert:

„Was wäre, wenn wir plötzlich Bäume wären, so nah beieinander - wir würden uns das Licht nehmen und vielleicht doch Halt und Wärme geben.

Unsere Wurzeln tief unten in der Erde würden sich verschlingen und umeinander winden.

Keiner von uns spräche ein Wort und dennoch rauschten und säuselten wir uns mit unseren Blättern, bei jedem Lufthauch um die Wette lebenswertes zu.
Wie zwei verliebte Katzen knarrten wir mit unseren Ästen unter der Last des Schnees.
Im Sommer blühten Sträuße von Wiesenblumen meiner Liebsten zu Füßen und die Pilze wüchsen in unserem Schatten, um unsere Wurzeln zu stärken, uns Halt zu geben.

Wenn wir plötzlich Bäume wären, in einem tiefen Wald noch in hundert Jahren hier stünden und uns umschlängelten, wären wir dann Bäume?“

„Ich bin für Buche“ sagte ich nach wenigen Minuten kühl - wie auch hätte ich sonst noch meinen Zug kriegen sollen und verschwand im Dunkel der Nacht.

Der Taxifahrer, der die ganze Zeit warten musste fragte mich nachher noch „die ist aber sehr verliebt ihre Freundin“ und ich musste gestehen „ne, das war nur wegen der Wiesenblumen und auch nicht meine Freundin“ schließlich warst Du verheiratet und wer weiß, wen die Taxifahrer so alles kennen.

Vielleicht sollte ich es ihm hoch anrechnen, dass er in der Zeit wenigstens die Uhr ausgeschaltet hatte.

Wiesen Blumen sind am schönsten auf der Wiese. Ich war früher Blumenpflücken als Kind auf Wiesen. Doch nach kurzer Zeit ließen sie ihre stolzen Köpfe hängen!

Ach, was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind,
Als eine Wiesenblum, die man nicht wieder find't!
Noch will, was ewig ist, kein einig Mensch betrachten.

Gryphius