Wattenberg
Bewertung: 1 Punkt(e)Es war gewesen, wie man es Wattenberg prophezeit hatte: sein neues, sein allererstes Dienstzimmer als »Richter auf Probe« im Verwaltungsgericht lag im Souterrain - ein ehemaliger Kellerraum, lang und schmal, mit nur einem winzigen Fensterchen ganz oben - und es war vollgestopft mit Akten. Akten, wohin man auch sah: in den Regalen, auf den Schränken, natürlich auch dem Schreibtisch, selbst auf dem Heizkörper türmten sich wahre Berge von Akten, einige hundert mußten es sein. Selbst auf dem Fußboden, den freien Wandstellen entlang, waren diese Aktenberge aufgetürmt. Es war ein total »abgesoffenes Dezernat« gewesen. Der Diensteifer seines Vorgängers mußte durch die bevorstehende Pensionierung wohl ganz erheblich gelitten haben. Wattenberg gelang ein erster Coups. Er überraschte nicht nur die Mitglieder seiner Kammer und der Geschäftsstelle, sondern auch das gesammte Verwaltungsgericht dadurch, daß Wattenberg am Tag nach seiner Amtseinführung frühmorgens mit einem Metermaß erschienen, kurz darauf wieder für 2 Stunden verschwunden war, um dann an der verblüfft grinsenden Wachtmeisterei an der Pforte Pakete aus dem Baumarkt vorbeizutragen. Wattenberg hatte fast ein dutzend Kellerregale gekauft, baute sie höchsteigenhändig auf, und begann, die Akten - zunächst auf dem Flur zu sortieren. Sonst tat er nichts: Akten sortieren und in die sodann in seinem Dienstzimmer aufgestellten Regale einzuordnen. Die Regale standen paarweise mit der Schmalseite zur Wand in den Raum, so daß nur noch eine winzige Arbeitsecke am Fenster übrig geblieben war, in die Wattenberg den Schreibtisch geschoben hatte. Ein Geschäftsstellenbeamter war ihm dabei behilflich gewesen. Erst als die Wachtmeisterei das Gerichtsgebäude gegen 20:00 abschloß, verließ Wattenberg diesen seinen Arbeitsplatz, wie es sich für einen diensteifrigen Anfänger gehörte. Erst am Nachmittag des Folgetages nahm Wattenberg die eigentliche Arbeit auf. Problemlos konnte er die Akten ausfindig machen, die er nun im Eiltempo für die nächsten Wochen aufzuarbeiten hatte.»Immerhin - er geht systematisch vor, das muß man ihm lassen!«