Volksmusikant
Bewertung: 1 Punkt(e)Das Buch Hiob bestreitet in seinem prachtvollen und majestätischen Rhythmus und dialektischen Wogenschlag den althebräischen Glaubenssatz, daß Gott ausschließlich und zum Kennzeichen die Rechtschaffenen, Frommen auf Erden glücklich mache und mit Besitz und leiblichem Gedeihen ausdrücklich vor den Schlechten auszeichne, welchen es auch schlecht ergehe. Alle Gotthelf’schen Werke nehmen eben diesen Mosaischen Glaubenssatz in ihrem Kerne gegen das tapfere Buch Hiob in Schutz, mit einer kleinen Modifikation. Nach ihnen sind alle Frommen und Gerechten entweder schon mit Wohlstand und Glück gesegnet und sind zugleich gut konservativ, oder sie verdienen es zu werden, und es ist ersichtlich, daß dieß Gottes Absicht ist; aber die Schlechten, die Sünder, die Lumpenhunde, welche alle liberal, aufgeklärt, zugleich aber höchst miserabel, ärmlich, bettelhaft und unglücklich sind, hindern die konservativen Gerechten an ihrem irdischen Floriren und bringen sie fortwährend um das Ihrige. Während also die drei zänkischen und kritischen Freunde im Buch Hiob diesen grausamerweise damit trösten wollen, daß er schlechtweg an seinem Unglücke als Lump und Sünder zu erkennen sei, gibt die linnengeschürzte Muse Gotthelf’s zu, daß allerdings auch der Gerechte zuweilen unglücklich sein könne, daß aber hieran nur die Aufgeklärten und Liberalen schuld seien. Sehen wir ab von dieser Modifikation, welche wir mit der apokryphischen Einmischung des Teufels im „Hiob“ vergleichen können, so stellen Bitzius’ Werke vollkommen ein umgekehrtes Buch Hiob dar, worin die drei streitenden Freunde mit ihrer Kritik Recht behalten, und zwar zu dem Zwecke, die liberale Hälfte der specifisch Bernerischen Bevölkerung mit ihren Führern zu verdammen und zu stempeln. Aber der Weg, auf welchem der Dichter an dieß komische kleine Zielchen gelangt, ist ein so schöner und reicher, daß er ein Genuß und Gewinn für uns alle ist, und darum sei ihm verziehen.