Skythen

Irgendwo bei Arno Schmidt kommen sie vor - er hat ja so ne Vorliebe für extravagante Ausdrücke. In diesem Falle dienten sie zur Assoziation der Herkunft einer fremdländisch aussehenden jungen Frau - glaube ich - oder war es in »Alexander« ? Zum Nachsehen bin ich natürlich zu faul.
Da denkt man so an diese Völkerscharen wie die Hunnen, die da aus dem Nichts aufeinmal auftauchten: prähistorische, apokalyptische Reiter, die auf ihren dreckigen Harleys über Mitteleuropa herfielen, kifften, soffen, den Jungs die Eier abschnitten, ihre Bräute schwängerten, nochnichtmal Umsatzsteuervoranmeldungen abgaben - und wieder im nichts verschwanden. Die Zeit der »Völkerwanderung« (was für ein völkischer Begriff das doch ist!) - was mag da passiert sein in dieser unendlich weiten Steppe, diesen Tundren und Hindukuschen ? Tschernobyl, Tunguska, Krakatao ? Die Chinesen wissen wahrscheinlich was, aber verraten es uns nicht. Deswegen rollen sie jetzt den Weltmarkt auf. Vor ein paar Jahren haben wir ihnen noch Entwicklungshilfe geschickt. Das hammwer jetzt davon.
In der Wikipedia kann man nachlesen, daß ein Drittel der Fläche der USA aus einem Vulkan besteht, der alle hundertausend Jahre ausbricht, und etwa dieselbe Fläche mit Lavaströmen überflutet. Da ist der St. Helens ein Zimmerspringbrunnen dagegen. Das Zentrum soll etwa da liegen, wo es früher Denver-Clan gab, und der letzte Ausbruch ist etwas mehr als hunderttausend Jahre her. Ich stell mir das gerade so vor, wie die EU eine Verordnung über Katalysatoren in Benzinfeuerzeugen, die Größe von Apfeltransportbehältnissen und die Aufnahme von Sodomie in das Tierschutz- oder Antidiskriminierungsgesetz erlässt, während ein Drittel der USA in die Luft fliegt, und die Rocker aus der Steppe wieder ankommen.

Wilde Reiter der Steppe, erstklassige Bogenschützen, langhaarig und bärtig, von griechischen Goldschmieden im Bosporanischen Reich naturalistisch en miniature dargestellt... als 10jähriger Noch-nicht-mal-Teeniedödel war ich hin und weg, als mir meine Eltern zu Weihnachten 1979 den populär-archäologischen Readers-Digest-Band »Die letzten Geheimnisse unserer Welt« schenkten! Sie ahnten ja nicht, dass sie damit meinen Initalzünder zur Homomaskulinität scharfstellten... und im darauffolgenden Frühling verliebte ich mich erstmals in einen Referendar mit langem roten Bart (wie es durchaus der damaligen Alternativ- und Öko-Mode entsprach) an meiner damaligen Schule, den ich prompt als »den Skythen« titulierte... Von den damaligen brisanten Vorgängen in Afghanistan wiederum bekam ich nur am Rande etwas mit, es dauerte noch einige Jahre, bis mir klar wurde, dass die Skythen, genauer ihr östlicher Zweig der Saken, auch in der antiken Geschichte des heutigen Afghanistan eine beachtliche Rolle gespielt haben... so heißt z. B. die Wüstenregion im Südwesten des Landes bis heute »Seistan«, was ursprünglich »Sakistan« und damit sozusagen »Skythistan« hieß!