Schützenkönigin

Aaaaaaugen lllinks!

Da laufen sie wieder: Die Herren, die noch echte Männer sind. Mit hübschen Uniformen, behängt mit einem ganzen Pfund Lametta, Orden, verliehen für Vereinstreue oder besondere Verdienste wie Mithilfe beim Aufhängen der Vereinsfahne oder beim Reinigen der Toiletten am Tag nach dem Fest.

Bei uns im Verein können sich Frauen glücklich schätzen, die einmal in ihrem Leben mit durchs Dorf promenieren dürfen, eingezwengt in bonbonfarbene Zirkuszelte. Und dann die Feierlichkeiten: Torkelnde Männer flüchten vor tanzwütigen Ehefrauen, die Herren von der Blasmusik knutschen hemmungslos mit den Damen vom Spielmannszug, während ihre Partner sich zum Trost mit fünf Bratwürsten und drei Tüten gebrannten Mandeln, heruntergespült mit einem Liter zusammengepanschtem Bier vollstopfen. Das ist ein Fest, wo sich Alt und Jung treffen, wenn auch nur beim kleinen Geschäft hinter der Halle. Und was wären wir ohne dieses Fest des Jahres? Hier sieht man Menschen tanzen, die sonst das ganze Jahr nur von ihren Gardinen verschleiert durchs Küchenfenster gucken, ärgste Feinde liegen sich in den Armen, auch wenn es nur ein paar Tage dauert, bis der nächste Streit sie entzweit, Nachbarn, die sich sonst nur verstohlen mit Kopfnicken grüßen, gröhlen gemeinsam bis in die Morgenstunden schmutzige Lieder und die konkurrierenden Damen vom Edeka und vom Tante Emma Laden können gemeinsam über das Kleid der Königin lästern.

Nee, ganz im Ernst, ich freue mich jedes Jahr auf diese Tage, marschiere auch immer mit und sicherlich hat auch mich schon mancher am Morgen danach gesehen... Aber Vorsicht- Kritik an diesem Fest wird nicht gern gesehen, ich hoffe ich werde nach diesem Text nicht gleich exschützenfestiziert... wie sollte ich das sonst meinen Schützenbrüdern erklären? Also werde ich hoffentlich noch viele Jahre mitfeiern können und meine Fahne (selbst angetrunken) stolz durchs Dorf wehen lassen...

Rüüührt Euch!

Frau *ss, deren Gatte lange Zeit Vorsitzender der Schützenbrüderschaft von M*** war, bei uns im Hause wohnte, und noch in fortgeschrittenem Alter durch eine rosige Feistheit und die Wahl hochwertige Trachtenmode verstand, sich ein vergleichsweise jugendliches Aussehen zu geben, ist inzwischen so füllig geworden, daß sie aufgrund ihres Umfanges und des besorgniserregenden Zustandes ihrer Kniegelenke die Treppen meines Elternhauses ausschließlich rückwärts heruntergehen kann, was jedoch für eine vorwiegend rückwärtsgewandte Person wie die sudetendeutsche Frau *ss vermutlich keine allzu große Umstellung bedeutet haben dürfte.

Warum man Schützenkönigin werden möchte, ist mir völlig schleierhaft. Karnevalsprinzessin, ja, obwohl das schon ähnlich ist. Schützenköniginnen sind umgeben von feisten, grünbekleideten Kerlen, die es schaffen, sich in einer halben Stunde besinnungslos zu trinken und dann dezent auf die Dame ihrer wahl zu kippen.