Saranda

I will survive
nach vierzig Tagen und vierzig Nächten
nach vierzig Toden von Saranda
hebe ich wieder die Augenbraue
mit schüchterner Verwunderung.

Und der kristallene Himmel öffnet ein blaues Loch
dass ich mit einem ehernen Vogel fliege, und dieser Vogel
wird nicht abstürzen. Dafür sorgen die Freunde.
Um die Berge wird aus Asphalt oder aus Schlamm
sich die Straße von Saranda schlängeln,
die mich seit Jahrhunderten erwartet.

Ich werde sie begehen. Allein werde ich gehen,
dich zu dehen hinter dem Schleier der Vorstellung,
dich, mein wirkliches Saranda.
In unserer gemeinsamen Bescheidenheit
werde ich uns mit Spucke
einen Baum oder einen Grashalm pflanzen

denn ich werde survive

ich werde ein neues Zeitalter Beginnen
Vierzig Leben in Saranda!

(Aus »Vierzig Tode in Saranda«, Tirana 1999. Aus dem Albanischen von Liria Sokoli.)

MORGENSTIMMUNG IN ALLIAS

Unter dem Balkon im Viertel Allias
beginnt das Meer von Saranda.
Mit Bergtee und Ei mit Majoran im Mund,
mit den Liedern der Ahnen aus dem Radio im Ohr
durchsegelst du die Frühnebel,
umarmt von der Morgensonne.

Du weißt noch nicht, Mädchen, was Märchen sind,
denn diese besungenen Lande findest du an keinem Ort auf Erden
außer auf der Karte deines inneren Labyrinths.
Die Einsicht wird kommen wie Blei. Durchboren wird sie dir
deine weißen Engelsflügel. Sterben wirst du
die vierzig Tode von Saranda.

Doch diesen Augenblick gibt es Schöneres nicht
als diesen letzten Morgen in Allias,
wo unter dem Balkon des Balkans
des Jonische Meer beginnt.

(Aus dem Albanischen von Liria Sokoli)

DIE GRÄBER

endlich
sind hier die Gräber
mit albanischen Kiefern und deutschen Tannen

die Gräber der Tänze und der Flüge
die Gräber der Freunde und der Freundschaften
des Lächelns und des Leuchtens ohne Schatten

Alle habe ich begraben.
Doch ich liege nicht darnieder. Ich gehe
mit einem toten Kopf und einem lebenden.

Mit Händen ohne Finger werde ich auch
die vierzig Tode von Saranda begraben.

(Aus dem Albanischen von Liria Sokoli)