Salonbären
Bewertung: 1 Punkt(e)
Ein mir bekannter Salonbär nannte sich einst Kalldewey, und er trat im hessischen Staatstheater auf, in einer Farce, die nach ihm benannt war. Obwohl ihm im Stück nur wenig Zeit auf der Bühne zukam (den Bärenanteil der Bühnenpräsenz teilten sich zwei ultramilitante Feministinnen und ein gescheitertes Liebespaar, beides Musiker übrigens und weniger Bühnenpräsenz hat nur noch der Psychologe, den sieht man gar nicht...) überstrahlte sein Auftritt den aller anderen, und das lag nicht nur an den Verbalinjurien, die Botho Strauß ihm in den Mund gelegt hatte. Nein, der gewichtige Mann hatte Charisma, trug seinen Cut formvollendet und hatte einen Baß, der auch noch in der letzten Reihe für Gänsehaut sorgte. Seine Senatorenwürde und unerschütterliche Ruhe sorgten dafür, daß seinen schier unglaublichen geäußerten Schweinereien (in etwa Blasterniveau) ein Gewicht zukam, das man eigentlich nur aus Reden höchstgestellter Persönlichkeiten in ernsten Situationen erwartet.
Die Vorstellungen waren ein ziemlicher Erfolg. Das Stück wurde auch an anderen Bühnen aufgeführt und ich unternahm einige Reisen, um mir die Inszenierungen anzusehen, aber fast alle hatten den Kalldewey farblos besetzt, meist als jungen Rebellen, der im Rollkragenpulli seine Sätze abnuschelte oder mit dünnem Stimmchen herauskrakeelte. Das Publikum nahm es dann auch mit einem Schulterzucken hin und das Stück verpuffte ohne große Wirkung... Unterschätzt die Salonbären nicht.