Quanz
Bewertung: 12 Punkt(e)
Zu der alten Zeit, als Oberst Aleksandr Onufrijewitsch Przewalskij mit seinem regymenty die Transbaikalische Steppe Oblast für Oblast auf der Suche nach Huftieren und unbekannten berauschenden Getränken durchstreifte, entdeckte er zu seiner Überraschung auf dem Weg von Zimownik-Kudajmendy nach Taldij-Kudukskij, drei Werst, acht Arschin und sieben Fut vor Kyzylkija, die erste dokumentarisch erwähnte Herde Quänze. Sie hatten in der Nähe reiche Löwenzahnfelder entdeckt und ästen vor sich hin - angesichts des gemütlichen Geruchs nach ungewaschenem Pferd und Drillich nahmen sie nicht reissaus, sondern schlurpten zutraulich näher - besaßen sie doch nicht die Fähigkeit zum Gedankenlesen, die ihnen offenbart hätte, dass Sascha Przewalskij sie so interessiert musterte, weil er gleich ausprobieren wollte, welche Teile ihrer Körper wohl vergärbar waren. Seit zehn Wochen hatte es nur Kumyß gegeben, Sud aus verwesenden Stuteneutern, und so war Saschas Wunsch nach exotischer Abwechslung nur zu verständlich.
Die Quänze glotzten Sascha und seine struppigen Regimenter an, leckten sich das glatte wollige Fell und machten auf der Hinterhand kehrt, um woanders weiterzulöwenzahnieren.
»Polkovnik, sie hauen ab!«, ließ sich der Kapitan der dritten Kompany vernehmen. »Bratet ihnen eins über, aber trefft nicht die Euter!«, antwortete Przewaskij. Es rumpelte, und die Quänze sackten wie auf Befehl gleichzeitig zu Boden.
»Euter abschneiden. Gären.«, befahl Sascha. »Polkovnik, da ist nix dran.« - »Soll ich dir vielleicht deine Ohren abschneiden und vergären?« - »Polkovnik, mir vielleicht nicht - aber die da, die haben Ohren... die sehen aus wie Watte.« - »Kapitan, kann man Watte vielleicht trinken?« - »Polkovnik, die Euter geben nicht einen Tscharki her, lass uns die Felle abziehen und Kartys nähen, die können wir mit den Ohren füttern, bald kommt Väterchen Frost.« - »Meinetwegen, tu was du nicht lassen kannst. Absitzen. Lager befestigen. Wir bleiben heute hier.«
Es hub unter den Offizieren und Unterführern ein allgemeines Ohrenabschneiden und Fellabziehen an, währenddessen die Krasnoarmejets schanzen, die Jefrejtors Zelte bauen und Gräben ziehen mussten. Kaum dass die Zelte fertig waren, begann es zu regnen, kurz darauf schien wieder die Sonne und erhitzte mit herbstlicher Kraft die weite Ebene.
In einer Ecke lagen die Reste der Quänze. Köpfe ohne die prächtigen Quastohren, die ihnen später ihren Namen gaben, prall mit Löwenzahnmatsch gefüllte Innereien, blutige Knochen - aus allem anderen war Proviant hergestellt worden.
Es wurde Nacht, die Regymenty feierten und leerten die letzten Schläuche Kumyß, es graute ganz langsam der Morgen, und einige torkelten aus dem Lager und übergaben sich nach zu reichlichem Genuß des käsig-säuerlichen Absudes...
pa-TUMM, knallte es dumpf, eine gelbliche Wolke stieg auf, der Posten schrie:»AAlarrrmyy!!« - und alle hasteten zu den Zelten, grabschten ihre verrosteten Petarden, stopften mit zitternden Fingern Pulver und Bleikugeln hinein und stolperten, Deckung bei den Zelten suchend, in Richtung Lagerumfriedung. »Rechts, dreißig Grad, zwanzig Saschen, Feuer!« - »Starschina, das ist ein Jasmin!« - Maul halten und schießen, was weiß ich, was die Kasachen für Freunde haben." - pa-TUMM. pa-TUMM. Es wölkte im faden Licht des Mondes, roch süßlich und verriet durch nichts, wo es herkam.
»Wir brauchen Licht, Polkovnik.« - »Dann mach' er Feuer. Bin ich vielleicht die heilige Paraskevi?« - »Wo ist der Brennspiritus, Polkovnik?« - »Was weiss denn ich, ausgesoffen wahrscheinlich, neulich bei Stjepans Geburtstag. Lasst mich in Ruhe mit dem Kleinkram. Vierzig Grad, fünfzehn Saschen, Feuer!« - »Jetzt brennt der Busch.« - »Na, dann mach ich Feuerchen eben mit Pülverchen. Ist gutes rauchloses. Gut so, brennt schneller...« - RABBADDAWUMMMM -
Es regnete Zeltstangen. Über die Steppe wehten Fetzen, alles Brennbare im Lager brannte. Auch die Hosen von Oberst Przewalskij. Mit Mühe schleppte er sich zu einer Pfütze, setzte sich hinein und wartete, bis seine Männer - oder das, was von ihnen übrig war - die Feuer gelöscht hatten.
»Sie sind weg, Polkovnik.« - Da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Wie viele habt ihr erwischt?» - «Ääääh... ich glaube, ihnen ging so die Muffe, dass sie sofort getürmt sind, Polkovnik.» - «Na dann, meine Helden, und... eigene Verluste?» - «Achtzehn.» - «Wie, sie sind weg und wir haben achtzehn unserer Männer einfach so in die Luft gejagt? - Was soll ich denn den Mamuschkas erzählen? Hier sind wir doch nicht auf der Krim und nicht auf dem Hindukusch. In meinen Oblasts hat es seit zehn Jahren keine Toten...» - «Polkovnik, es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Sie mich nicht richtig verstanden haben.» - «Na dann ist ja gut...» - «O nein, Polkovnik, als ich 'achtzehn' sagte, da meinte ich... äääh... achtzehn sind übrig."
Oberst Aleksandr Onufrijewitsch Przewalskij seufzte tief und schaute traurig auf seine angekokelten Stiefel. Ein wenig darüber konnte er den brandfleckigen Drillich dessen erkennen, was einmal seine Reithosen gewesen waren. Jetzt hatten sie eine seltsam dunkelgrüne Färbung angenommen und rochen süßlich. Nach Löwenzahnwein. Um seinen Hintern herum lappte die Wand eines Quanz-Magens.
Einige Arschin entfernt lagerten ein paar besser erhaltene Exemplare, zwei davon durch die Gärungsgase geplatzt. »Hol mir ein Tässchen.« - »Zu Befehl, Polkovnik.« Wenn er schon drinsaß und danach roch, konnte er's auch trinken.
Er stand auf, trat zu dem ihm nächsten Quanz-Magen und berührte ihn mit der Fußspitze.
»pa-TUMM«, machte es, und eine gelbe, süßliche Wolke stieg hoch in die frische Steppenmorgenluft.