Mozartfurzerin
Bewertung: 1 Punkt(e)Ein Konzert für die Massen und die Kassen steht an: Vor der Pause Mozartarien und sein überirdisch todesnahes Klarinettenkonzert, nachher dann Strauss, der burleske und doch melancholische Don Quixote. Als der Willkommensapplaus für Fiore und die Düsseldorfer Symphoniker abgeklungen ist und der starkgebaute Dirigent das Stöckchen hebt, rümpfe ich zum ersten Mal die Nase; ein Pupsgeruch durchweht den Rang. Ludmilla Matters im apricotfarbenen Kleid mit Silberbordüre tritt in eine innige Zwiesprache mit dem delikat akkompagnierenden Klavier Fiores, als plötzlich ein unverwechselbarer Knarzlaut dem hohen a aufreitet und wenige Takte später Schwaden durch die Reihen entlässt, die an Backfisch in Kuhfladenkruste erinnern. 'Pensa almen, che instante è questo!' Allerdings. Da meine unmittelbaren Sitznachbarn zur Linken vermutlich unschuldig sind, versuche ich, ihnen gegenüber dezent auch meine Gasfreiheit zu demonstrieren, indem ich nicht überbetont die Nase mit dem Programmheft abdecke und runzelnd schaue. Dabei visiere ich die voraussitzende Reihe an: Als Täter kommen eigentlich nur vier Plätze in Frage: Die nette alte Witwe und ihre menopausierende Tochter vom Typ Grundschullehrerin, die uns als Stammbesucher schon seit Jahren bekannt sind, eine ungleich jüngere Strickpulloverträgerin rechts davon und eine Frau, deren ausrasierter Nacken mir von Anfang an suspekt war. Nicht, das ich was gegen lesbische Frauen hätte, aber die Linienführung hat so etwas selbstgestricktes. Die Arie dauert fort und auch die Pupsnote verringert sich zwischenzeitlich nur unwesentlich. Zu hören ist allerdings nichts, da inzwischen das Orchester in warmem Duktus mit eingefallen ist. Ich fixiere die potentiellen Täterinnen, doch kein unmerkliches Lupfen des Oberschenkels, das auf die Übertreterin des Frauenfurztabus hinwiese. Die zweite Konzertarie 'Bella mia fiamma, addio' hat zum Teil einen wesentlich dramatischeren Gestus als die Vorgängerin. Und beim crescendierenden 'È terribile per me' läßt die Furzerin gleich alle Hemmungen mit fahren und fällt knatternd in die Koloratur ein. Natürlich, es war die im Strickpullover. Immer die, die man am wenigsten im Verdacht hat. Scheinbar hat sie selber nun die grundlegende Problematik erkannt, denn beim Zwischenapplaus vor dem Klarinettenkonzert rafft sie ihre Tasche, flüstert ihrer betagten Nachbarin ein 'Entschuldigen Sie bitte' zu und schlägelt sich dem Ausgang zu durch die Reihen, mir dabei für einen kurzen Augenblick den durch eine Art Steghose verhüllten After in Gesichtshöhe zuwendend, was ich mit unwillkürlichem Lufteinhalten quittiere, das sich erst beim Auftritt von Wolfgang Esch, dem an Scharping erinnernden Soloklarinettisten in einem befreiten Ausatmen löst.