Lorbeerbaum
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Felix Hochmeyer war in letzter Zeit oft besorgt.
Als er eines Tages, etwas zu spät, denn es war schon neun Uhr dreißig, aufwachte, zitterte er am ganzen Körper, und sein erster Weg war der zum Fenster. Das für einen Julimorgen dieser Uhrzeit ungewöhnlich fahle Licht fiel auf sein dünnes Haar, wie auch auf seine dürren Ärmchen, die aus dem T-Shirt ragten welches ihm sein Schlafgewand war.
Er öffnete die Fensterflügel, und lehnte sich durch den sommerlichen Hauch des frühen Morgens weit hinaus, fast schon so weit, daß man als aufmerksamer Passant in diesem Augenblick meinen hätte wollen, es sei hier gerade ein junger Mann im Begriff, sich das Leben zu nehmen.
Aber Felix war es nicht um einen Todessprung, er ragte nun mit seinem Oberkörper nur deshalb so gefährlich weit aus dem Fenster, weil er eine möglichst genaue Sicht auf die weite Flucht der Allee haben wollte, die sich von Felixens Ausguck in der Tat erst, kaum noch in Sichtweite, nach einigen Kilometern in einer großen Kreuzung verlor.
Er hätte auch beinahe das Gleichgewicht verloren, denn was er dort vorne, in etlichen hundert Metern Entfernung, sah, das ließ ihn, durchzuckt wie von einem kleineren Stromschlag, erschaudern, und es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre tatsächlich vornüber fünf Stockwerke tief zur Straße hin gefallen.
So aber war sein erster Weg der zurück ins Innere des Zimmers, hin zum Telefon.
»Der Kanzler! Der Kanzler kommt!« dachte er immer wieder, während er eifrig die lange Nummer wählte.
Als am anderen Ende der Leitung, einer Telefonzelle irgendwo im Nordafrikanischen, ein Mann abhob, sagte Felix nur: »Der Kanzler! Der Kanzler ist da!!!!!«.