Eggenfelden
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Sage mir, Muse, die Kunde vom Sänger, den eine Laune
plötzlich beschenkte und vom sagenumwobenen Dorfe,
das im bavarischen Tale die hurtigen Bauern beherbergt
und in dem die nebligen Loipen sich treffen, auf denen
sie im Sturm des Winters streifen wie hungriges Schwarzwild;
denn sie trachten zu töten die Sau. Aber im Sommer
pflegen sie diese und bereiten ihr trockenes Futter
von den Feldern, die glänzen im Saft und die sie schweigend
mit der mächtigen eisengewirkten Egge bestellen:
also nannten sie ihr Dorf nach Boden und Werkzeug.
Doch wo die Rinder am Tag die befestigten Strassen belagern
und sich entleeren, wie es dem törichten Vieh in den Sinn kommt,
dort hat der delphische Gott keine Heimat und wendet ab sich,
weil ihm der Ausfluss der Därme die feine Nase betäubet.
So, oh Muse, hätte das ärmliche Dorf ein dämmerndes
und auch mit Ödnis strafendes Schicksal ereilet,
wäre ihm nicht der Held des Tanzes und des Gesanges,
den ich Dir künde, entsprossen, beseelt vom thrakischen Gotte,
der, vom harzigen Wein betrunken, die Gabe ihm schenkte,
als er, der Vielwandernde, traubenbehangene Hügel
und die schwülen Flure des wildreichen Landes erforschte.
Denn dem humpelnden Schalk gefielen die fröhlichen Rinder
und ihre Art, von schnürender Hemmung befreit die Lasten,
welche ein jedes Mahl dem Tier und auch dem Menschen
in seinem Körper bereitet, ungeziemt von sich zu stoßen.
Also ließ er sich nieder im Dorfe, das Vieh zu betrachten.
Aber es gingen dort Mädchen zum Brunnen mit flachsenen Haaren
und auch mit kräftigen Armen, geübt, die blechernen Kübel,
schwer von schwankendem Wasser, über den Marktplatz zu tragen.
Als der Gott nun eine rosenwangige Magd sah,
wandelte ihn eine zehrende und auch schamlose Lust an,
nach ihr zu greifen. Diese aber erschrak ganz entsetzlich,
als sie gerade auf dem steinernen Rand des Brunnens
über die schattige Tiefe sich beugte, den Kübel zu füllen.
Dieser entglitt ihr und stürzte auf den gepflasterten Dorfplatz,
sprang laut scheppernd und kreisend mehrfach hinauf und hinunter,
wie ein Böcklein, dem die Geduld noch unbekannt ist,
wenn es die Mutter mit glänzenden Zitzen von der Weide
und mit fettreicher Milch träge herankommen siehet.
Aber es lag auch der kommende Sänger, von dem ich mit Dir,
Muse, mit klingelnden Sätzen und beirrenden Worten
Kenntnis beweise, neben dem Brunnen in seiner Wiege,
schwankend: denn er war noch ein Säugling, zappelnd und schreiend.
Doch als er sah, wie die schimmernden Kübel wie Böcke zuckten,
kreischte er lustig und stieß sich selbst im Übermute
weit in die Höhe. Da war dem hörnerbestandenen Gotte
die exstatische Szene zuviel: die kauenden Rinder
und das zitternde Mädchen, die böckegleich springenden Kübel
und der vom scheppernden Blech begeisterte rasende Säugling.
Hinkend machte er sich davon. Doch als an der Wiege
seine Blicke den Säugling trafen, musste er lachen,
und das bockende Kübel Liebende wurde geschüttelt
von des schenkenden Schelms weindurchdunstetem Atem.
So, oh Muse, gibt der Gott, was anderen Menschen
an uns gefällt. Doch immer sind Hassende unter ihnen.
Wandelt der Glückliche heute auf edelhölzernen Bohlen,
ist vielleicht morgen der neidische Gott bei den grimmigen Feinden,
wirft ihn zurück mit kaltem Sinn, ein grausiger Mahlstrom,
auf wüste Felder, welche mühsam die Egge durchpflüget.