Eckkneipe
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Die Eckkneipe ist eine aussterbende Spezies. Früher verbrachten viele Männer ihren Feierabend wenigstens teilweise in der Eckkneipe in ihrem Wohngebiet. Da trafen sie ihre Freunde und Kumpel, diskutierten die Bundeslige im Fußball oder Handball, verglichen die großen Mannschaften mit lokalen Vereinen, tranken natürlich Bier und schauten teilweise auch Fernsehen. Die Eckkneipe war sowas wie ein gemeinsames Wohnzimmer, wo man im Zweifel auch mal Rülpsen durfte, ohne gleich einen Rüffel zu bekommen, es sei denn von der Wirtin. Rauchen durfte man auch und wenn man ein drittes Bier trinken wollte, bekam man das ohne Diskussionen.
Jetzt aber stehen die Eckkneipen leer, bis auf ein paar Unentwegte, meist Rentner, oder aber Hardcore-Säufer. Letztere sind aber auch immer weniger anzutreffen. Der Preisunterschied zwischen gezapftem Bier und Billig-Bier vom Discount ist zu groß. »Homedrinking kills Gastwirt!« verkündet eine Postkarte, die sicher nicht zufällig am Tresen angepinnt ist. Auch diese Kneipe hat eine lange Eckkneipen-Tradition, ist aber längst keine Eckkneipe mehr. »Event« ist angesagt. Samstags Live-music, Freitags Spaghetti »allyoucaneat« für drei Euro, also Spaghetti bis zum Abwinken. Einige Stadtbekannte Schnorrer nutzen das dreist aus, werden aber inzwischen vom Wirt etwas ausgebremst, indem die Servicekraft alle drei Minuten hingeschickt wird, um nach einer Bestellung eines Drinks zu fragen. Ja, soweit ist es gekommen. In dieser Eckkneipe gibt es jetzt Drinks statt Getränke und natürlich keine Bedienung mehr, sondern eine Servicekraft. Die ist Studentin wie die Schnorrer, man kennt sich, ist auf gleicher Augenhöhe, aber der Wirt steht hinter ihr. Die Schnorrer räumen das Feld. Nächsten Dienstag, wenn Pizza dran ist, »allyoucaneat« für zwo-fuffzich, stehen sie wieder da. Inzwischen sind jede Menge andere Spaghetti-Freunde eingetroffen, die begeistert die angebotenen Spiele nutzen und zur Freude des Wirts fleißig Drinks konsumieren, hauptsächlich Apfelschorle, Cola und Tee, auch ein wenig Kaffee. Saufen kommt später. Die Spielefreunde gehen gegen zehn, ab elf kommen dann die, die sich für Downtown anwärmen wollen. Irgendwie bleiben immer ein paar hängen, die sich die Kanne geben. Weizen bis halb zwei. Dann Putzen. Die alten Zeiten waren bequemer.