Briefschlitz

Schön wäre ein intelligenter Briefschlitz - zum Vorsortieren der Post, zum automatischen Annahmeverweigern von Zahlungsbefehlen, zum wohligen Vampirzähnefletschen angesichts von Penis-in-den-Briefschlitz-Steckern, zum automatischen Tütenfalten aus Plusaldidl-Briefkastenverstopfern und zum Einbrecherabschrecken durch drohende Knurrgeräusche.

Solche Intelligenz kann jedoch auch ihre Nachteile haben...

- Nö. Den kriegste nicht.

- Doch.

- Das ist nicht gut für dich.

- Woher willst du das wissen?

- Beim letzten Brief von ihr hast du hemmungslos geflennt. Hab' ich genau gesehen.

- Ach, komm schon! Heulen erleichtert die Seele. Und außerdem, vielleicht nimmt sie's ja wieder zurück... warum sollte sie mir sonst schreiben?

- Zum Beispiel, um dir das Argentinien-Ticket zurückzuschicken. Ist ja nur so 'ne Vermutung.

- Du und deine Vermutungen! Bestimmt tut's mir leid und... JETZT RÜCKST DU ENDLICH DEN BRIEF 'RAUS!!! Sonst reklamier' ich dich beim KLOBI-Bau,
und du wirst nach Shenzen eingeschickt, und da löschen sie dein IEProm...

- Neinneinnnein, nicht Shenzen, nicht löschen.

- Also dann... Brief her.

- Hast du dir das auch genau überlegt? Meine Experten-Database sagt mir, dass in 98 Prozent aller Fälle das Folgeschreiben auf eine Trennung negative finanzielle Folgen für den Adressaten hat. Das wird täglich upgedatet. Gestern waren's noch 97,3 Prozent.

- HÖRST du, BRIEF HER! Wenn ich ihn nicht lese, dann kostet's irgendwann Anwaltsgebühren, und wird auch nicht billiger.

- Dann hast du aber die erste Phase der Trauer nach Kast et al. (1985) überwunden und bist eher bereit, die Folgen...

- Du bist 'n BRIEFKASTEN, KEIN SEELENKLEMPNER!!!

- Auf deine Verantwortung?

- NA LOGO, wer kriegt denn hier die Post?

- Erst mal ich. Und wenn du meinen guten Rat ignorierst, bin ich beleidigt.

- OOOHHH! Was mach ich bloß mit 'nem beleidigten Briefkasten!!

- Ich könnte »Annahme verweigert« draufstempeln und in die Rohrpost tun. Dann wär'er weg. Du hättest ihn nie gesehen, könntest die alles einbilden, was du willst, und ich such' dir aus dem »Extra-Aktuell« 'ne schöne Kleinanzeige aus, die zu dir passt...

- BRIEF HER ODER SHENZEN!

- O.k., o.k.,du hast's so gewollt...

(Papieraufreißen, STÖHNEN)..."... Du hast ja wohl nicht ernstlich geglaubt, ich liefe Dir weiter hinterher, wenn Du nie ans Telefon gehst und seit Monaten die Annahme meiner sämtlichen Briefe verweigerst.
Das Geld für Buenos Aires habe ich Dir überwiesen. Ich fliege nächste Woche mit Kurt..."

- (Gemurmel von der Tür:»Jetzt isse endlich weg, die blöde Schnalle...«)

Ein knappes Jahr oder so durfte ich samstags meinem Filius bei dessen Schülerjob, Prospekte austragen, helfen. Unfasslich, was für Briefkastenmodelle verkauft werden dürfen! Wir hatten klare Weisung, dass die Prospekte nicht gerollt oder geknickt oder ineinander geschoben werden durften, nur dass den Empfängern das alles am Podex vorbei ging, die faulen Säcke hatten manchmal um 10 am Vormittag die Zeitung noch nicht rein geholt und besaßen Briefschlitze, durch die keine Postkarte passte.
In einem Fall war der Schlitz unten in der Tür, und dahinter wartete schon ein schrill kläffender Kleinstköter. Da! Friss das! - Fledderfledder.

Aber sobald die Lidl-News mal fehlen gleich anrufen und sich beschweren. Dann riefen die Tanten von der Zustellfirma bei uns an. »In der Stuttgarter Straße hat jemand die Prospekte nicht bekommen«. Die hat ja auch nur 300 Hausnummern, aufgeteilt auf 5 Zusteller. Wer? Wo? »Weiß ich jetzt auch nicht«.

Das Beste an dem Job war die frische Luft. Gut dass das Jahr dann zu Ende ging. Und danke für die Erfahrung.