»Ich male meine Monster und Dämonen, das ist heilsam«
Die Schauspielerin Charlotte Rampling gilt als Spezialistin für kontroverse Rollen.
In meinen Vierzigern habe ich mich sehr intensiv mit meinen Träumen beschäftigt. Damals machte ich es mir zur Angewohnheit, sie nach dem Aufwachen aufzuschreiben. Ich erinnere mich, dass diese Träume oft sehr gewalttätig und verstörend waren. Ungefähr sieben Jahre lang habe ich mich einer Traumanalyse unterzogen. Das hat mir sehr geholfen, vieles von dem zu begreifen, was in mir vorging, und besser damit zurechtzukommen.
Charlotte Rampling
Die 56-Jährige, Tochter eines britischen Offiziers und einer Malerin, gilt als Spezialistin für kontroverse Rollen. Als Schauspielerin arbeitete sie unter anderem mit den Regisseuren Sidney Lumet, Woody Allen und Lars von Trier. »The Look«, ein Dokumentarfilm über Charlotte Rampling, ist für den Deutschen Filmpreis nominiert, der am 27. April verliehen wird
Die äußere Welt macht mir eigentlich keine Angst. Zu jener Zeit wurde ich trotzdem von undefinierbaren Ängsten heimgesucht, hatte ständig das Gefühl, etwas Schreckliches würde bald geschehen. Oft war es, als trüge ich die Ängste und das Leid anderer mit mir herum. Es ist sehr beängstigend, wenn dich solche negativen Gefühle überwältigen, die Kontrolle übernehmen und das Handeln bestimmen. Mithilfe meiner Träume und der Analyse verstand ich, dass es tief greifende Ereignisse und Erfahrungen in meinem Leben gab, die ich nicht verarbeitet hatte oder deren Bedeutung ich nicht erkannt hatte. Der Selbstmord meiner Schwester war so eine Erfahrung, die ich lange nicht verarbeitet habe. Sie war damals 23, ich drei Jahre jünger, wir waren uns sehr nahe. In unserer Familie ist nie darüber geredet worden. Ich stamme aus einer Offiziersfamilie, es war nicht üblich, über seine Gefühle zu sprechen. Im Gegenteil, mein Vater und ich haben es gegenüber meiner Mutter verheimlicht, sie glaubte bis zu ihrem Tod im Jahr 2001, meine Schwester sei bei einem Unfall gestorben. Die Traumdeutung war eines der Werkzeuge, die mir dabei geholfen haben, einen Weg zu finden, mit solchen Erfahrungen zu leben.
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Heute erinnere ich mich nur selten an meine Träume. Diejenigen, die mir besonders interessant erscheinen, schreibe ich immer noch auf. Ich mag die Idee, mich selbst und mein Leben durch meine Träume zu betrachten, mich mit dieser unausgesprochenen, rätselhaften Welt in mir auseinanderzusetzen. Einer Welt, die uns vieles offenbart, was wir normalerweise verbergen, auch vor uns selbst.
Ich habe einen Traum
© Miss Jones/Photocase
Alle bisherigen Träume zum Nachlesen
Diese Welt nimmt häufig auch in meinen Bildern Gestalt an. Der Prozess des Malens gleicht für mich dem Träumen, ich kontrolliere nicht, was ich male, sondern gebe dem, was aus mir empordrängt, Platz auf der Leinwand. In den vergangenen Jahren waren es meist meine Monster und Dämonen, Kreaturen aus der Unterwelt, die aus dem Dunkel ins Zwielicht hervordringen. Sie sehen bedrohlich aus, irgendwie menschlich und gleichzeitig unmenschlich. Meine Monster zu malen ist ähnlich heilsam wie die Beschäftigung mit meinen Träumen. Denn wenn wir unsere Monster im alltäglichen Leben hinauslassen, kann das sehr schmerzhaft für die Menschen in unserer Nähe sein. Das möchte ich vermeiden.
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