Sonderberichterstatter kommt nach Deutschland
Bildungssystem auf dem Prüfstand
Bürokratische Farce oder ein Anlass zur Sorge? Vernor Munoz, Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, untersucht in den kommenden Tagen das deutsche Bildungssystem. Dabei soll es hauptsächlich um das »Recht auf Bildung« gehen.
Von Joachim Schubert-Ankenbauer, ARD-Hörfunkstudio Genf
Auf den ersten Blick klingt es seltsam: Vernor Munoz, Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission besucht Deutschland. Hat die Kommission hier so schwerwiegende Verstöße gegen das Menschenrecht ausgemacht? Um den Besuch zu verstehen, muss man wissen, wie die Menschenrechtskommission arbeitet. Sie hat eine ganze Reihe von Sonderberichterstattern, die sich Themen wie Folter, Rassismus, Kinderhandel, Nahrung oder eben Bildung widmen. Sie sind ein wichtiges Instrument der Kommission und bei Ländern, in denen Menschenrechte verletzt werden, entsprechend unbeliebt. Sie gelten als Experten auf ihrem Gebiet - Munoz ist Professor für Jura und Ombudsmann der Regierung von Costa Rica.
Internationale Standards werden ausgelotet
Wichtig ist auch: Die Kommission arbeitet nicht nur daran, Staaten anzuprangern, die die Menschenrechte verletzen. Ihre Aufgabe ist auch die Förderung der Menschenrechte. Das bedeutet: Welche gemeinsamen Standards brauchen wir, was muss unternommen werden, damit Menschen in zu ihrem erklärten Recht kommen. Das Mandat wird heute weit definiert. Es geht nicht allein um die Abwesenheit von Folter oder Unterdrückung - es geht auch um das Recht auf Entwicklung, Nahrung - oder Bildung.
Ein dritter Punkt kommt dazu: Die Sonderberichterstatter müssen bei ihren Besuchern auf geographische Ausgewogenheit achten. Das ist wichtig, damit sie sich nicht dem Vorwurf der Einseitigkeit aussetzen, ein beliebtes Argument von Staaten, die Menschenrechte verletzen. Und schließlich sind auch westliche Staaten nicht frei von Menschenrechtsverletzungen. Allerdings darf ein Sonderberichterstatter nur auf Einladung eines Landes einreisen. Munoz hat mehrere Länder in Europa angefragt - und die erste Einladung kam aus Deutschland.
Pisa-Studie - immer ein Thema
Hier wird er anderem nach Berlin, Bonn und München fahren, Schulen besuchen und Gespräche führen - mit Politikern, Lehrern, Schülern und anderen. Munoz will sehen, wie das Recht auf Bildung umgesetzt wird und welche Hindernisse es dabei gibt. Besonders wird er sich mit der Frage beschäftigen, wie es mit dem Zugang aller Gruppen zur Bildung aussieht - vor allem für Kinder von Einwanderern, Kinder aus armen Familien oder Kindern mit Behinderung. Auch das Abschneiden Deutschlands bei der Pisa-Studie spielt eine wichtige Rolle. Schließlich interessiert sich Munoz auch dafür, wie sich der Föderalismus auf das Bildungssystem auswirkt.
Munoz hat eine klare Meinung zum Thema Bildung: Sie ist ein Menschenrecht und keine Ware, hat er in einem Interview erklärt, und viele Probleme rühren seiner Ansicht nach daher, dass die Verbindung Menschenrecht und Bildung immer mehr zugunsten des wirtschaftlichen Blickwinkels verloren geht. Munoz wird also sicher den Finger auf Probleme legen, die er in Deutschland sieht. Er will aber auch sehen, was man aus der deutschen Situation lernen kann. Die Ergebnisse seines Besuchs fließen in einen allgemeinen Bericht ein, den er 2007 dem Menschenrechtsrat vorlegen will, der bis dahin die Menschenrechtskommission abgelöst haben soll.
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