Ich habe das Buch heute in einer Buchhandlung an- und quergelesen. Eine straighte Karrierefrau, die keine Maenner ohne Ziel und Plan mag und die sich aus eigener Kraft ganz nach oben gearbeitet hat, legt hier unumwunden Rechenschaft ab und beklagt ihre grossen Probleme. Ein melodramatischer Hoehepunkt des Buches (auf Seite ichweissesnichtmehr) ist sicherlich der zaghafte Beginn der grossen Lovestory zwischen Christian und Bettina im Flieger nach Suedafrika. Bettina, noch in Jeans gekleidet und auf leger getrimmt, hat es sich in der Anonymitaet der Economyclass bequem gemacht. Aber eine beherzte LUFTHANSA - Stewardess holt sie da heraus und muss sie fast zu ihrem Glueck zwingen - welches darin besteht, weiter vorne in der von der CONTI-Clique okkupierten Businessclass Platz zu nehmen. Fast ist ihr das peinlich, und sie ist auch sehr schuechtern in diesem Moment. Aber auch Christian, nicht mehr wirklich Herr seiner Gefuehle, ist alles andere als souveraen und knallt beim Aufstehen (er will ja Bettina zur Begruessung - immerhin ist er ja der MP des Landes Niedersachsen und somit das offizielle Oberhaupt dieser illustren Reisegesellschaft - die Hand schuetteln) mit dem Kopf voll gegen das Gepaeckfach oberhalb des selbigen. Ich war von dieser emotionalen Komponente tief zu Traenen geruehrt. Ueberhaupt trieft dieses Buch nur so von Liebe und Romantik. Emotionen die auch ohne glueckliche Fuegung und ohne den Beistand des CONTINENTAL-Reifens sich ihren Weg zu bahnen scheinen - und sei es auch nur am Strand von Sylt, wo ein Bilderbuch-Rettungsschwimmer mit David Hasselhoff- Astralkoerper und der entsprechenden ihn umgebenden Aura (sie nennt ihn nicht mit Klarnamen...) die unwissende Bettina darueber belehrt, dass Drachensteigen hier verboten ist. Dinge, fuer die andere Menschen das Lokalkolorit eines kalifornischen Strandes benoetigen, scheinen fuer Bettina Wulff immerhin auch an den Straenden Schleswig Holsteins moeglich gewesen zu sein, die ueber das Jahr gesehen ja eher nicht sonnenverwoehnt sind und wo Malibu ganz weit weg ist. Alles in allem meine ich mich zu entsinnen, dass es da auf dem Markt doch auch noch einen literarisch aehnlich anspruchsvollen Text von Carsten Maschmeyer gibt, der sich vom Grundtenor her allerdings in wenigen Nuancen von diesem bahnbrechenden OEuvre unterscheidet, weil er im Gegensatz zu Bettina Wulff eben nicht das Wunderbare der Liebe an sich in den Vordergrund rueckt, sondern vielmehr zu erklaeren versucht, wie man(n) schnell richtig reich wird.
Aber wie dem auch sei: Selten hat mich ein Buch (und ich lese sehr viel)emotional so tief betroffen gemacht. Schockiert muss ich erkennen, dass auch Millionaere (oder zumindest solche in spe) durchaus depressive und verzweifelte Menschen sein koennen. Was in meinem Kopf
zurueckbleibt,ist das Bild einer armen und geschundenen Frau - ein Bild, das mich nicht mehr loslaesst. Allein schon die Vorstellung davon, wie unbequem ein lederner Sitz in einem AUDI Q3 oder in einem SKODA YETI sein kann und muss,ist eine sehr schmerzhafte...
Spurlos ist diese Zeit in der Buchhandlung auf keinen Fall an mir und meiner empfindsamen Seele vorbeigegan-
gen. Ein klarer Beleg dafuer ist es in meinen Augen, dass ich nun - zuerst zaghaft erschaemt, dann aber doch voller innerer Entschlossenheit - damit begonnen habe,
mir Geld fuer die Hoerbuch-Ausgabe beiseite zu legen, welche ich unbedingt haben muss. Bettina ist mir ueber die Zeit so ans Herz gewachsen, dass sie sich einen festen Platz in selbigem erobert hat. Und das Optimale an der Hoerbuchedition ist ja, dass sie wohl selbst das Vorwort spricht und auch im Interview zu hoeren ist. Da werde ich ihre Stimme immer bei mir haben, wenn mir einmal danach sein sollte. Noch ist dieser grosse Traum eher ferne Realitaet, aber eines Tages wird es soweit sein... Als Empfaenger von HARTZ4, dessen Bewerbungen alle zurueck kommen und der sich von einem Jobcenter auch mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium und mehreren Fremdsprachen wie das allerletzte Stueck Dreck - um nicht zu sagen, wie das allerletze Stueck Scheisse - behandeln lassen muss, geht es mir zwar bei weitem nicht so schlecht wie Familie Wulff in all dem offensichtlichen Elend ihrer armseligen und maroden Grossburgwedler Sozialunterkunft - nur zuweilen faellt es halt doch schwer, mir spontane und brennende Wuensche ad hoc zu erfuellen. Aber aufgeschoben ist ja gottlob nicht aufgehoben ....
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