Er hatte viele Schlösser gebaut, aber das schönste war das Vorhängeschloss. Es hieß so, weil es voller Vorhänge war. Nicht nur hingen an allen Fenstern Vorhänge, auch die Türen im Schloss wurden weitestgehend durch Vorhänge ersetzt. Die Wände waren ebenfalls mit Vorhängen verhängt, und selbst an der Decke hingen Vorhänge. Der Duschvorhang im Badezimmer war da schon selbstverständlich, weniger selbstverständlich war hingegen, dass selbst der Badezimmerspiegel ein Vorhang war. Der Spiegelvorhang bestand aus blankgeputzter Metallfolie.
Zur Ausstattung seines Schlosses hatte er auch extra Gemälde anfertigen lassen, diese waren jedoch nicht etwa auf Leinwand, sondern auf Vorhangstoff gemalt. Sein Lieblingsbild zeigte sein Portrait, halb hinter einem Vorhang verborgen. Aber auch auf allen anderen Bildern im Schloss spielten Vorhänge eine zentrale Rolle. Etwa im stimmungsvollen Bild »Landschaft mit Vorhang,« das den Blick aus einem Fenster mit halb zugezogenem Vorhang zeigt, durch das man auf eine Hügellandschaft in Abendstimmung sieht. Eine Rauchfahne, die nahe der Oberkante des Fensters hinter dem Vorhang herauskommt, um kurz danach hinter dem oberen Fensterrahmen zu verschwinden, deutet dezent an, dass der Vorhang etwas weniger schönes verbirgt, vielleicht eine Fabrik oder ein Kraftwerk. Was es ist, kann man aber nicht sagen, da der Vorhang die Rauchquelle, die sonst mit Sicherheit die Abendstimmung stören würde, verbirgt.
Leider konnte er das Vorhängeschloss nicht fertigstellen, da er zu früh verstarb. Wer weiß, welche Vorhangideen er sonst noch in seinem Vorhängeschloss verwirklicht hätte.
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