Vierter Aufzug.
Erster Auftritt.
Madame Belmont. Charlotte.
Mad. Belmont. Bleib da, Charlotte! wir haben ein Wörtchen mit einander zu reden, eh die Gesellschaft kommt. – Sage mir, mein Kind! Was hältst du von dem Herrn Selicour?
Charlotte. Ich, Mama?
Mad. Belmont. Ja, du!
Charlotte. Nun, ein ganz angenehmer, verdienstvoller, würdiger Mann scheint er mir zu sein.
Mad. Belmont. Das hör' ich gerne! Ich freue mich, liebes Kind, daß du eine so gute Meinung von ihm hast – denn, wenn dein Vater und ich etwas über dich vermögen, so wird Herr Selicour bald dein Gemahl sein.
Charlotte (betroffen). Mein Gemahl! –
Mad. Belmont. Fällt dir das auf?
Charlotte. Herr Selicour?
Mad. Belmont. Wir glaubten nicht besser für dein Glück sorgen zu können.
Charlotte. Von Ihren und meines Vaters Händen will ich gern einen Gatten annehmen – Aber, Sie werden mich für grillenhaft halten, liebe Großmama! – Ich weiß nicht – dieser Herr Selicour, den ich übrigens hochschätze – gegen den ich nichts einzuwenden habe – ich weiß nicht, wie es kommt – wenn ich mir ihn als meinen Gemahl denke, so – so empfinde ich in der Tiefe meines Herzens eine Art von –
Mad. Belmont. Doch nicht von Abneigung?
Charlotte. Von Grauen möcht' ich's sogar nennen! Ich weiß, daß ich ihm Unrecht thue; aber ich kann es nun einmal nicht überwinden – Ich fühle weit mehr Furcht vor ihm, als Liebe.
Mad. Belmont. Schon gut! Diese Furcht kennen wir, meine Tochter!
Charlotte. Nein! Hören Sie! –
Mad. Belmont. Eine angenehme mädchenhafte Schüchternheit! Das muß ich wissen, glaube mir. – Bin ich nicht auch einmal jung gewesen? – Uebrigens steht diese Partie deiner Familie an. – Ein Mann, der alles weiß – ein Mann von Geschmack – ein feiner Kenner – und ein so gefälliger, bewährter Freund. – Auch reißt man sich in allen Häusern um ihn. – Wäre er nicht eben jetzt seiner Mutter wegen bekümmert, so hätte er mir diesen Abend eine Romanze für dich versprochen – denn er kann alles, und dir möchte er gern in jeder Kleinigkeit zu Gefallen sein. – Aber ich hör' ihn kommen! Er läßt doch niemals auf sich warten! Wahrlich, es gibt seines Gleichen nicht!
(Friedrich Schiller: Der Parasit
oder die Kunst, sein Glück zu machen.
Ein Lustspiel nach dem Französischen [des Picard])
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