Herlint Wolff von den Steinen - Die drei Brüder und der Schlaf
Der alte Bauer war gestorben, und seine beiden ältesten Söhne kümmerten sich um
nichts, nur der Jüngste blieb zurück und saß weinend die Nacht durch am Totenbett. Erst
als die Sonne aufging, schlief er erschöpft ein. Als die Brüder ihn am Morgen mit Tränen
in den Augen schlafend fanden, sagten sie zueinander: „Um so besser, wenn er schläft,
dann können wir die Erbschaft unter uns teilen.“ Sie waren so geizig und herzlos, dass
sie sich freuten, ihren eigenen Bruder zu betrügen. Der eine nahm das Haus und die Felder,
der andere die Ställe und das Vieh. Und als der Jüngste aufwachte, riefen sie höhnisch:
„Du hast geschlafen, während wir das Erbe teilten – als einziges erbst du nun den
Schlaf.“ Die Dorfbewohner waren erstaunt, dass der Jüngste diese Ungerechtigkeit wortlos
hinnahm, er schien seine Brüder sogar heimlich auszulachen.
Während sich die Brüder an die Tagesarbeit in Feld und Stall machten, legte er sich in
den Schatten und schlief weiter. Es war heiß, und die Brüder mussten schwer schaffen,
fehlte ihnen doch die Hilfe des Vaters und des Bruders. Abends aßen sie schnell einen
Bissen, und dann sank der eine in der Kammer und der andere draußen im Stall beim
Vieh todmüde aufs Lager. Als der älteste Bruder in der Kammer eingeschlafen war, wurde
er plötzlich durch einen lauten Ruf geweckt: „Wach auf, wach auf! Den Schlaf habe ich
allein geerbt.“ Wütend richtete sich der also Geweckte empor, aber immer, wenn er wieder
einschlafen wollte, rief der jüngste Bruder: „Wach auf, wach auf, der Schlaf gehört
mir ganz allein!“ Und ebenso erging es dem zweiten Bruder. Als er in der nächsten Nacht
auf der Weide lag, weckte auch ihn die Stimme: „Wach auf, wach auf, der Schlaf gehört
mir allein!“ Und so ging es viele Tage. Der Jüngste arbeitete nicht, er schlief am Tage
und ließ seine müden Brüder nachts nicht ruhen. Immer wieder hörte man seinen Ruf:
„Der Schlaf gehört mir allein!“
Alle Dorfbewohner waren auf der Seite des Jüngsten. „So geht es, wenn man den Schlaf
verachtet“, sagten sie zueinander, „das ist die gerechte Strafe für die Bösewichte.“
Schließlich wurden die Brüder so müde, dass sie nicht mehr arbeiten konnten. Da gingen
sie zum Dorfältesten, um sich zu beschweren, und der befahl ihnen, schleunigst alles
noch einmal, und zwar gerecht, zu teilen. Und diesem guten Rat mussten sie wohl folgen,
sonst wäre ihr ganzes Erbe verkommen. In Afrika aber erzählt man sich ihre Geschichte
bis zum heutigen Tage.
1.Aufgabe
Der Text ist in drei Abschnitte eingeteilt.
Schreibe die folgenden Überschriften in der richtigen Reihenfolge auf.
Die Gerechtigkeit siegt
Das Erbe wird ungerecht verteilt
Der Jüngste besteht auf seinem Erbe
2.Aufgabe
Kreuze an, ob die folgenden Aussagen richtig oder falsch sind.
richtig/falsch
Die älteren Brüder versuchten den Jüngsten um sein Erbe zu betrügen. O O
Der Jüngste nimmt sein Erbe widerspruchslos an. O O
Der Jüngste weiß nicht, wie er sich gegen seine Brüder wehren soll. O O
Die älteren Brüder haben die Wichtigkeit des Schlafes unterschätzt. O O
3. Aufgabe
Schreibe die Sätze aus dem Text heraus, die den folgenden Aussagen entsprechen.
Die Menschen im Dorf konnten nicht verstehen, dass der Jüngste die ungerechte Teilung
der Erbschaft ohne Widerspruch akzeptierte.
Nachdem die älteren Brüder den ganzen Tag schwer gearbeitet hatten, aßen sie
schnell etwas und wollten dann nur noch schlafen.
Die älteren Brüder suchten Hilfe beim Dorfältesten, der ihnen jedoch den Befehl gab,
das Erbe des Vaters gerecht zu teilen.
Bei der Geschichte handelt es sich um ein Märchen aus Afrika.
4. Aufgabe
Ergänze die folgenden Sätze mit deinen eigenen Worten so, dass die Aussagen dem Text
entsprechen.
Weil die älteren Brüder geizig und herzlos waren, versuchten sie …
Der jüngste Bruder verlangte den Schlaf für sich alleine und erreichte so, dass …
Obwohl die älteren Brüder den Jüngeren bei der Teilung des Erbes betrogen hatten, …
Als die älteren Brüder sich beim Dorfältesten beschwerten, …
5. Aufgabe
Die Tante der drei Brüder fragt den Jüngsten, warum er die ungerechte Teilung der Erbschaft wortlos hingenommen hat. Er erklärt ihr ausführlich seinen Plan.
Schreibe auf, was er sagt.
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