das kommt sogar aus der Schwyz
Der neue König braucht auch Tölpel
Unter den Hirten auf dem Feld von Betlehem war auch ein Einfältiger. Er wurde von den anderen nur Tölpel genannt. Als eines Nachts der Engel des Herrn erschien, um ihnen die Geburt Christi anzukündigen, begriff der Tölpel seine Worte nicht. Aber überwältigt von dem Glanz, der von dem Engel ausging, fiel auch er, im Innersten erschrocken, auf die Knie. Und als die anderen, wie der Engel es ihnen gesagt hatte, sich aufmachten, das Kind zu finden, wollte auch er mit ihnen gehen. Aber die Hirten schämten sich seiner, denn sein Gewand war zerrissen, sein Bart struppig und der Ausdruck seines Gesichts blöd. »Bleib du hier bei den Schafen und beim Feuer«, sagten sie. »Das Kind, das wir suchen, ist kein gewöhnliches Kind, sondern ein König. Einen Tölpel, wie du einer bist, kann er nicht brauchen.«
Doch der Tölpel ließ sich von ihren Worten nicht einschüchtern. Er lief ihnen nach, auch wenn er Mühe hatte zu folgen. »Was willst du ihm denn schenken?« spotteten sie. Da sah der Tölpel erst, daß sie alle beladen waren, mit Milch und Honig, mit Wolle von den Schafen, mit Käse und Brot. Daran hatte er nicht gedacht. Er wurde sehr betrübt. - Aber auf einmal heiterte sich seine Miene auf, und er rief voller Stolz: »Ich könnte die Fliegen von seinem Gesicht verscheuchen. « »Was glaubst du eigentlich!« riefen die anderen zurück. »Dazu sind die Engel da!« Der Tölpel wurde sehr traurig. Aber auf einmal heiterte sich seine Miene wieder auf, und er rief voller Stolz: »Ich könnte seine Füße reiben, um es zu warmen.«
»Was glaubst du eigentlich!« riefen die anderen zurück. »Dazu sind die Engel da! « Der Tölpel fing an zu weinen. Aber auf einmal heiterte sich seine Miene zum drittenmal auf, und er rief voller Stolz: »Ich könnte ihm ein Lied singen, damit es schlafen kann.« »Was glaubst du eigentlich!« riefen die anderen zurück. »Dazu sind die Engel da!« - Der Tölpel war nun sehr betrübt, sehr traurig und weinte. Aber er gab nicht auf. Er wollte den König und die Engel, die von seinem Gesicht die Fliegen verscheuchten, die seine Füße neben und ihm ein Lied sangen, wenigstens von weitem sehen.
Endlich standen die Hirten vor dem Stall, und sie fanden das Kind in einer Krippe liegen, arm und bloß. Maria und Josef hatten mit den vielen Gästen alle Hände voll zu tun, denn nicht nur die Hirten, sondern auch die drei Könige hatten den Weg zur Krippe gefunden. »Ach«, seufzte Maria, »wenn ich nur jemanden hätte, der dem Kind die Fliegen verscheucht, der ihm die Füße reibt und ihm ein Schlaflied singt!«
Da trat der Tölpel näher. Und als er weit und breit keine Engel sah, da wischte er seine Tränen ab, lachte vor Freude und kniete vor der Krippe nieder. Er verscheuchte die Fliegen. Er rieb dem Kind die Füße, um es zu wärmen, und sang ihm ein Lied, bis es einschlief. Maria und Josef und die drei Könige staunten. Die Hirten aber schämten sich und nahmen ihn auf dem Heimweg in ihre Mitte. Sie wußten nun, daß der neue König auch den Tölpel braucht.
Max Bolliger, Der neue König braucht auch Tölpel, aus: Der Weihnachtsnarr, Verlag Herder Freiburg, 2. Aufl. 1990.
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