Die zersplitterte Arbeitermacht
In Europa protestieren Hunderttausende gegen harte Einschnitte in den Sozialstaat. In Deutschland tut sich wenig. Die Interessen der einzelnen Gewerkschaften sind zu unterschiedlich. “Wir haben eine klare Verabredung. Die Gewerkschaften machen ihre Aktionen vor allem auf Betriebsebene”, heißt es beim DGB. Denn um den dramatisch schwindenden Mitgliederzahlen zu begegnen – in den letzten zehn Jahren verloren die DGB-Gewerkschaften fast 20 Prozent ihrer Mitglieder -, führen die Gewerkschaften vor allem die Kämpfe, die ihre Mitglieder überhaupt noch interessieren. Hartmut Riemann kämpft für die Löhne bei den Stahlarbeitern, Ver.di um die kommunalen Finanzen, und die IG BCE schickt Bergleute auf die Straße, weil denen die Subventionen ausgehen.
Und während die ganze Republik über die minimalen Hartz-IV-Erhöhungen und eine Existenz in Würde streitet, warten die Arbeitslosen weiterhin vergeblich auf mehr als rhetorische Solidaritätsbekundungen aus Reihen der Gewerkschaften: “Es ist nicht nachvollziehbar, dass der DGB sich in der Praxis kaum um die soziale Frage kümmert”, sagt Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforums in Deutschland. “Michael Sommer wettert zwar gegen die Hartz-Änderungen, das ist aber auch schon alles.”
Quelle: TAZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht zu vergessen, dass in Spanien ein Generalstreik ausgerufen wurde, der bei uns, nicht wie oft angenommen, durch die Verfassung verboten ist, sondern durch Richterrecht – basierend auf Gutachten von Ernst Forsthoff und vor allem von Carl Nipperdey, die bereits in der NS-Zeit Karriere gemacht hatten. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die kraft Völkerrecht auch in der Bundesrepublik verpflichtend ist vertritt ein Streikrecht ohne die bundesdeutschen Eingrenzungen. Die ILO hat die deutsche Praxis wiederholt gerügt. Die Gewerkschaften sollten sich allmählich auf Zeiten einstellen, in denen auf den politischen Streik gegen politische Fehlentwicklungen nur bei Strafe der Selbstabschaffung verzichtet werden kann.
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