Angriffe auf das Demonstrationsgrundrecht zurückweisen
05.12.2002: Presseerklärung von Hans-Christian Ströbele zum Vorstoß von Brandenburgs Innenminister Schönbohm auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz, Demonstrationen an symbolträchtigen Tagen und Orten zu verbieten
Angriffe auf das Demonstrationsgrundrecht zurückweisen
Zu dem Vorstoß von Brandenburgs Innenminister Schönbohm auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz, Demonstrationen an symbolträchtigen Tagen und Orten zu verbieten, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Christian Ströbele:
Der Vorschlag von Herrn Schönbohm ignoriert die überragende Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, beschränkt die Demonstrationsfreiheit und ist zudem in der Praxis überflüssig.
Es steht zu befürchten, dass am Ende solcher Forderungen und deren Umsetzung nur noch ein Flickenteppich an Orten und Tagen im Kalender stünde, an denen noch demonstriert werden darf.
Seit dreißig Jahren ziehen Unionspolitiker bei ihren wiederkehrenden Angriffen gegen das Demonstrationsrecht ihre verstaubte Idee von »befriedeten Bezirken« aus der Mottenkiste - nun noch ergänzt um »befriedete Tage«, an denen die BürgerInnen zu Hause bleiben sollen. Entsprechende Anträge wurden der Innenministerkonferenz schon vor fast genau zwei Jahren, am 24.11.2000, vorgelegt und sodann durch die Unionsfraktion sowie Rheinland-Pfalz in Bundestag und Bundesrat eingebracht. Dort aber scheiterten sie nach Expertenanhörung und justitiellen Gutachten mit Pauken und Trompeten an verfassungsrechtlichen und praktischen Bedenken. Denn mit dem geltenden Recht lassen sich grundsätzlich Orte wie etwa die Holocaust- Gedenkstätte oder das Brandenburger Tor ausreichend schützen.
Welche weiteren symbolträchtigen Orte will Herr Schönbohm denn demonstrationsfrei halten? Deutsches Eck, Hermanns-, oder Kyffhäuserdenkmal? Der Phantasie derjenigen, die in Demonstrationen nur lästige Störungen etwa des Einkaufsgeschäfts sehen (wie aktuell auch im Berliner Senat beklagt), wären kaum Grenzen gesetzt. Ebenso verhält es sich mit demonstrationsfreien Tagen: 15. Januar, 2. oder 17. Juni, 9. November oder gar der Nikolaustag?
Gegenüber solchen Vorschlägen erinnern wir an die Worte des Bundesverfassungsgerichts im Brokdorf-Urteil vom 14.5.1985: »Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens.«
|