Im menschlichen Gedächtnis, wird Gelerntes und Erfahrenes selektiv gespeichert und wirkt dann steuernd auf Verhaltens-, Empfindens-, Denk- und Wahrnehmungsformen. Der individuelle menschliche Lern- und Entwicklungsprozess kristallisiert also im Organismus eines Menschen.
Mit der Fähigkeit, Erlebtes und Gelerntes im Gedächtnis zu behalten und nach Bedarf abzurufen, besitzt die menschliche Gattung also auch die Fähigkeit, Langsicht zu entwickeln: Menschen können sich aufgrund ihres Gedächtniswerkzeugs in Gedanken und mit Hilfe von Symbolen von der momentanen Situation, ihren Affekten und Emotionen distanzieren, und z.B. über vergangene oder zukünftige Ereignisse nachdenken.
In seinem Werk »Über den Prozess der Zivilisation« zeichnet Elias zum einen bestimmte historische Veränderungsprozesse in westeuropäischen Gesellschaften nach, zum anderen beleuchtet er parallel dazu die damit einhergehende Veränderung der Empfindens- und Verhaltensmuster der Menschen. Er zeigt die Ordnung des Wandels mit Hilfe der vergleichenden Methode.
Der Begriff der »Zivilisation« bezeichnet bei Elias einen langfristigen Veränderungsprozess des menschlichen Verhaltens und Empfindens in einer ganz bestimmten Richtung: das Bewusstsein wird weniger triebdurchlässig und die Triebe weniger bewusstseinsdurchlässig. Die Regelung des gesamten Trieb- und Affektlebens der Menschen wurde durch eine beständig wachsende Selbstkontrolle immer allseitiger, gleichmäßiger und stabiler.
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