Negativzinsen sind Zinsen, mit denen ein Guthaben belastet wird. Wirtschaftlich gesehen sind es Minuszinsen, die auf Guthaben erhoben werden können und vom Gläubiger gezahlt werden müssen oder vor der Rückzahlung des Guthabens abgezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Real- und Nominalzins
2 Negativzins und Bargeldhaltung
3 Volkswirtschaftslehre
4 Beispiele
5 Freiwirtschaft
6 Siehe auch
7 Literatur
8 Einzelnachweise
Real- und Nominalzins
Es werden negative Realzinsen und negative Nominalzinsen unterschieden. Negative Realzinsen entstehen, wenn der Marktzins unterhalb der Inflationsrate liegt.[1] Der Gläubiger erhält zwar einen (positiven) Zins, dennoch sinkt die Kaufkraft des Kapitals. Auf eine negative Realverzinsung versuchen am Markt Anleger einer Umschichtung der Geldanlagen in inflationsgeschützte Anlagen. Als solche gelten Sachanlagen wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder Edelmetalle wie Gold. Auch Anleihen fallen als inflationsgesicherte Anleihen unter diese Kategorie. Der Versuch der Zentralbanken, die nominellen Zinsen möglichst niedrig zu halten und die Realzinsen unter null zu halten, wird auch als „finanzielle Repression“ bezeichnet.[2]
Ein negativer Nominalzins ist ein Nominalzins, der unter null liegt. Er kann als negativer Coupon oder als negative Rendite auftreten. Ein negativer Coupon entspricht dabei dem durch den Gläubiger zu zahlenden Nominalzins während eine negative Rendite dadurch entsteht, dass der Gläubiger seinen Anspruch auf den Rückzahlungsbetrag zu einem Preis oberhalb des Rückzahlbetrags einkauft und dieser Unterschied auch nicht durch Coupons geheilt wird.
Negativzins und Bargeldhaltung
Die Alternative zu Geldanlagen ist die Bargeldhaltung. Da die Bargeldhaltung einem Zinssatz von Null entspricht, treten nominale Negativzinsen, also kleiner Null, am Markt normalerweise nicht auf. Allenfalls in speziellen Situationen wie der Finanzkrise ab 2007 und der Eurokrise wurden vereinzelt negative Nominalzinsen beobachtet.
Volkswirtschaftslehre
In der Volkswirtschaftslehre werden die geplanten Ersparnisse mit den geplanten Investitionen durch einen bestimmten Gleichgewichtszinssatz zum Ausgleich gebracht, wenn etwa eine klassische Sparfunktion unterstellt wird, wonach die Ersparnisse umso höher sind, je höher der dafür gebotene Zins, und gemäß einer Investitionsfunktion umso weniger Investitionen geplant werden, je höher der Zins. Theoretisch könnte dieser Gleichgewichtszinssatz kleiner null sein, was für Geld- und Fiskalpolitik eine besondere Herausforderung darstellt.[3] Für Carl Christian von Weizsäcker ist die Idee einer „Savings-Glut-These“ verwandt mit der kapitaltheoretisch begründeten These der Möglichkeit eines negativen gleichgewichtigen Realzinses.[4] In dieser Lage wäre der Gleichgewichtsrealzinssatz, der zu gleich hohen Investitionen und Ersparnisse führt, kleiner null.[5]
Beispiele
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen negativen Nominalzins bzw. eine negative Rendite von Wertpapieren.
Der Begriff wird in der Schweiz verwendet für die Kommission, welche auf die Einlagen von Ausländern berechnet werden kann. Weil damit die Devisenspekulation bekämpft werden sollte, wurde er als Strafzins empfunden.
In der Schweiz bestand eine Verordnung, aufgrund derer ein Verbot der Verzinsung von Geldanlagen in Schweizer Franken seitens ausländischer Geldgeber oder, darüber hinaus, die Erhebung einer Kommission, des sogenannten Negativzinses, in Höhe von bis zu 10 % pro Vierteljahr möglich wurde. Damit wollte das Land den übermäßigen Kapitalzufluss aus dem Ausland abwehren, der den Wechselkurs des Schweizer Frankens zum Nachteil der Schweizer Exporteure beeinflusste. Angewendet wurde sie 1964–1966 und von Ende Juni 1971 mit kurzen Unterbrechungen bis November 1979. Das Instrument wird auch heute, im Zuge der sehr starken Frankenaufwertung, wieder diskutiert.[6]
Dänemark gab im Dezember 2011 dreimonatige Staatsanleihen mit einem Nominalzins von -0,21 Prozent aus, die von Anlegern vollständig angenommen wurden. Die dänische Zentralbank führt das darauf zurück, dass die Anleger lieber einen Großteil ihres Geldes zurückerhalten als für einen positiven Zins ein Verlustrisiko einzugehen. Für Anleger aus dem Euroraum kann die Anleihe überdies zu Kursgewinnen und somit zu einer positiven Gesamtrendite führen, falls der Euro gegenüber der dänischen Krone im Anlagezeitraum abwertet.[7]
Der deutsche Staat gilt im Zuge der Eurokrise als sicherer Hafen für Anleger, was zu einem negativen Zins für Staatsanleihen führte. Im Januar 2012 wurden Bundesanleihen verkauft, die einen Zins von -0,0122 % abwarfen.[8] Am 18. Juli 2012 konnte der Bund zweijährige Anleihen zu einem Zinssatz von -0,06 % verkaufen. Zuvor waren schon negative Zinsen bei Anleihen aufgetreten, die ebenfalls von Deutschland oder den Niederlanden, Frankreich und dem Rettungsfonds EFSF ausgegeben worden waren.[9][10] Im August verdiente das Schuldenmanagement des Bundes 3,8 Mrd. Euro durch den Verkauf von Bundesschatzanweisungen, das heißt, deren Rendite betrug -0,0499 Prozent.[11] Im Oktober 2012 konnte der EFSF sich erneut zu einem negativen Zinssatz, -0,0433 %[12] und -0,024 %[13], verschulden, im November der Bund zu -0,0116 Prozent[14]. Am 3. Dezember 2012 wurden zweijährige Bundesanleihen mit einer negativen Rendite von -0,019 % gehandelt.[15] Im Jahr 2012 musste der Bund bei 21 von insgesamt 70 Wertpapierauktionen keine Zinsen an seine Gläubiger zahlen, sondern kassierte im Gegenteil eine Prämie. Auch zu Jahresbeginn 2013 am 7. Januar konnte der Bund bei der Auktion von sechsmonatigen Wertpapieren eine Prämie in Höhe von 3,5 Mrd. Euro kassieren[16], bei der Versteigerung von Schatzanweisungen mit sechsmonatiger Laufzeit ergab sich am 8. April 2013 eine negative Rendite von 0,0002 Prozent.[17] Der ESM konnte ebenfalls für seine Kreditaufnahme eine Prämie kassieren.[18]
Im Juni 2014 hat die Europäische Zentralbank den Zins für Geldeinlagen von Banken auf -0,1 Prozent gesenkt – das heißt, Banken müssen für Einlagen bei der EZB bezahlen. In der Presse wird dafür häufig der Begriff „Strafzins“ verwendet.[19] Im September 2014 wurde die Einlagefazilität erneut gesenkt und beträgt nun -0,2 Prozent.
Freiwirtschaft
Daneben wird der Begriff Negativzins im Zusammenhang mit einer Theorie der Freiwirtschaftslehre verwendet, der zufolge die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes im Zusammenhang mit der Höhe des Zinssatzes steht. Auch bei einzelnen Tauschkreisen wird ein als Rückhaltegebühr bezeichneter negativer Zins verrechnet, um den Umlauf von Guthaben zu sichern.
Siehe auch
Finanzrepression
Sparschwemme
Literatur
A. Woll: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 1976
E. Gruner/B. Junker: Bürger, Staat und Politik in der Schweiz, 1972
Einzelnachweise
↑ Vgl. Michael Ferber, nzz online 18. März 2013 „Negative Realzinsen bedrohen ein Ende der «Traumrenditen» am Kapitalmarkt“
↑ Philip Plickert: „Die heimliche Enteignung der Sparer“, faz.net 27. August 2012 [1]
↑ Vgl. dazu Carl Christian von Weizsäcker: Grenzen des Konzepts einer unabhängigen Zentralbank, in Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 2, Zeitgespräch, S. 91-94 doi: 10.1007/s10273-012-1332-0
↑ Carl Christian von Weizsäcker: „Grenzen des Konzepts einer unabhängigen Zentralbank“ Wirtschaftsdienst 2012/2, Zeitgespräch, S. 91-94, doi: 10.1007/s10273-012-1332-0
↑ Carl Christian von Weizsäcker FAZ.Net 10. Mai 2013 „Eurokrise und ihre Folgen Das Damoklesschwert der Euroaufwertung“
↑ „Schweizer Banken führen Negativzinsen ein“ tagesschau.de, 27. August 2011
↑ „Dänemark stellt den Finanzmarkt auf den Kopf“ (Version vom 4. August 2012 im Webarchiv Archive.today) Financial Times Deutschland, 30. Dezember 2011
↑ „Anleihenmarkt - Deutschland leiht sich Geld zu negativen Zinsen“ FAZ Online 9. Januar 2012
↑ „Schäuble macht mit Schuldenmachen Geld“ Handelsblatt online, 18. Juli 2012
↑ Andreas Uhlig: Leben mit tiefen und negativen Marktzinsen nzz.ch
↑ Reuters 13. August 2012: „Deutschland verdient noch mehr Geld beim Schuldenmachen“
↑ Reuters 2. Oktober 2012 „Rettungsfonds EFSF besorgt sich Geld zu guten Konditionen“
↑ Basler Zeitung16. Oktober 2012: „EFSF holt sich zu günstigen Konditionen zwei Milliarden Euro“[2]
↑ Handelsblatt 12. November 2012 „Bund kommt erneut an günstiges Geld“
↑ Bettina Forner, 5. Dezember 2012: „Bundesanleihen legen zu, Rendite Zweijähriger unter Null Prozent“ Die Welt im Internet.
↑ tagesschau.de 7. Januar 2013: „Anleger zahlen Prämie - Bund verdient weiter Geld mit seinen Schulden“
↑ Handelsblatt 8. April 2013 „Investoren zahlen bei deutschen Anleihen drauf“
↑ FAZ.net 8. Januar 2013 „Rettungsschirm zapft mit japanischer Hilfe Kapitalmarkt an “
↑ „EZB beschließt Milliardenkredite und Strafzins für Banken“ sueddeutsche.de, 5. Juni 2014
|