Jenseits von Kyoto
Thorsten Stegemann 11.05.2003
Die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union steigen zum zweiten
Mal in Folge
Die Zeit, da umweltbewusste Europäer auf den internationalen Gipfeltreffen die
Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch die Vereinigten Staaten, Australien oder auch
Russland als kurzsichtige Ökosünde brandmarken und stolz auf die eigene Political
Correctness verweisen konnten, scheint allmählich vorbei zu sein. Denn die
Befürchtung, dass irgendjemand den selbsternannten Beschützern unserer
natürlichen Lebensgrundlagen etwas über Dornen und Balken, Fegen vor der
eigenen Haustür oder die Erledigung von Hausaufgaben erzählen könnte, dürfte
allmählich konkrete Gestalt annehmen.
Darauf deutet jedenfalls der neueste Emissionsbericht der
Europäischen Umweltagentur hin, der für 2001 einen Anstieg der wichtigsten
Treibhausgasemissionen um 1% gegenüber 2000 feststellt. Das klingt nicht besonders
spektakulär, ist vor dem Hintergrund der im Kyoto-Protokoll festgelegten Grenzwerte aber
immerhin bedenklich. Schließlich hatte die Europäische Union 1997 zugesagt, den
Ausstoß klimarelevanter Gase bis 2012 um 8% im Vergleich zum Bezugsjahr 1990 zu
verringern. Wie aus dem jüngsten Bericht hervorgeht, lagen die Gesamtemissionen im Jahr
2001 aber nur um 2,3% unter denen von 1990, während es zwei Jahre zuvor schon einmal
3,6% waren. Der Ausstoß des wichtigsten Klimakillers Kohlendioxid, aus dem
europaweit 82% aller Treibhausgasemissionen bestehen, lag sogar 1,6% über dem
Bezugswert.
Die Europäische Umweltagentur nennt als Hauptursachen für den spürbaren Anstieg in
nahezu allen EU-Mitgliedsländern den kalten Winter, der zu einem höheren Verbrauch von
Heizbrennstoffen führte, aber auch geringere Regenfälle, steigende Emissionen aus dem
Straßenverkehr und einen zunehmenden Verbrauch fossiler Brennstoffe für die Strom- und
Wassererzeugung.
Die höheren Heizanforderungen führten vor allem bei Haushalten und kleinen
Unternehmen zu einem Anstieg der CO2-Emissionen um deutliche 6%, für deren
Zustandekommen hauptsächlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien
verantwortlich waren. Aber auch andere Länder haben erhebliche Probleme, wenigstens
die EU-internen Stabilisierungsziele auf dem Weg zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu
erfüllen. Während die Emissionen in Österreich (+ 4,8%) und Finnland (+ 7,3%) schon
überdurchschnittlich anstiegen, lagen sie in Irland um 31% über dem Bezugswert von
1990. Die Umweltagentur kommt insgesamt zu der wenig erfreulichen Überzeugung:
"Die neuesten Zahlen zeigen, dass 10 von 15 Mitgliedsstaaten ihren vereinbarten
Anteil am Stabilisierungsziel für Treibhausgase in der EU bei weitem nicht erfüllen
werden. Dies trifft auf Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland,
Irland, Italien, die Niederlande, Portugal und Spanien zu."
Gute Nachrichten kommen dagegen aus dem Großherzogtum Luxemburg. In dem kleinen
Land, das mehr Fluggäste als Einwohner hat, wurden die Treibhausgasemissionen seit
1990 um beispielhafte 44% gesenkt. Und auch Deutschlands Beitrag zu einem besseren
Klima in der Europäischen Union kann sich bislang sehen lassen. Mit 993 Millionen
Tonnen Emissionen im Jahr 2001 ist Deutschland zwar noch immer der größte
Klimaverschmutzer in der gesamten EU, der Ausstoß wurde gegenüber 1990 aber bereits
um 18% vermindert und nähert sich so der von der Bundesregierung angepeilten Marke
von 21% bis 2010.
Kritische Stimmen wie die vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung schreiben diese positive Tendenz allerdings nicht allein einer
fortschrittlichen Umweltpolitik zu, und sie halten auch das deutsche Sonderziel, die
CO2-Emissionen bis 2005 um volle 25% zu senken, für schlichtweg utopisch. Das DIW
konstatierte deshalb bereits im Februar diesen Jahres:
Um eine Reduktion in dieser Größenordnung zu erreichen, müssten die
temperaturbereinigten CO2-Emissionen in den nächsten drei Jahren jeweils um rund
30 Millionen Tonnen oder um 3,8% reduziert werden. Eine derart hohe Rate gab es
bisher nur einmal Anfang der 90er Jahre als Folge des drastischen wirtschaftlichen
Einbruchs in den neuen Bundesländern. In der Periode von 1991 bis 2002 betrug die
jahresdurchschnittliche Emissionsminderung nur knapp 1%. Vor diesem Hintergrund
erscheint die Verwirklichung des für 2005 genannten Zieles als aussichtslos. Selbst
das im Rahmen des europäischen 'burden sharing' vereinbarte Ziel, die
Treibhausgasemissionen bis 2008/2012 gegenüber 1990 um 21 % zu mindern,
könnte verfehlt werden, wenn die klimaschutzpolitischen Anstrengungen nicht
konsequent fortgesetzt werden."
Dieser Einschätzung entspricht der aktuelle Bericht der Europäischen Umweltagentur.
Schlimmer noch: Er konstatiert im Vergleich der Jahre 2000 und 2001 auch in
Deutschland einen Anstieg der Treibhausgasemissionen um 1,2%.
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last modified: 09.05.2003
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