Umstritten ist jedoch, ob es die Garantenstellung kraft Übernahme vom Erstgaranten für alle und, wenn nein, für welche
Garantenpflichtigen es sie gibt.
Unbestritten ist die Übernahmemöglichkeit lediglich bei den (Verkehrs)Sicherungspflichten, auch neben den gesetzlichen
Übernahmetatbeständen (§§ 832 Abs. 2, 831 Abs. 2, 834, 838). Übeträgt beispielsweise ein Straßenanlieger seine Reinigungs- und
Streupflichten auf einen Unternehmer, so ist dieser bei Vernachlässigung der Pflicht dem hierdurch Geschädigten unmittelbar
deliktisch verantwortlich.
Ob dies uneingeschränkt auch für die Übernahme von Obhutspflichten gilt, ist fraglich, jedoch zu bejahen. Denn auch hier erweckt
der Übernehmer beim Erstgaranten die berechtigte Erwartung auf seine Tätigkeit, die den Erstgaranten von seiner
deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit freistellen kann und deswegen zur Vermeidung von Haftungslücken zur Garantenpflicht des
Übernehmers führt. So wird auch niemand bezweifeln, daß der Babysitter dem Kind gegenüber deliktisch verantwortlich ist, wenn
es auf Grund Vernachlässigung der Aufsicht verletzt wird (der Babysitter übernimmt also die Sicherungspflicht per legem § 832
Abs. 2 und die Obhutspflicht kraft Übernahme).
Wir nähern uns nun allmählich einem Problem innerhalb der Frage der Garantenpflicht, das näher zu beleuchten sich lohnt, weil
man hier die Grundprinzipien des Haftungsrechts zur Argumentation heranziehen und gut veranschaulichen kann.
Bis jetzt ging es uns bei der Betrachtung der Übernahme einer fremden Garantenpflicht immer nur um die Übernahme durch einen
selbständigen »Unternehmer«, wobei hierunter jeder zu verstehen ist, der seinen Erwerb damit betreibt, gegen Entgelt fremde
Garantenpflichten zu übernehmen. Auch die babysittende Schülerin gehört hierher. Auch das Modell der §§ 832 Abs. 2, 831 Abs.
2, 834, 838 geht von dieser Form der Pflichtenübernahme aus.
Nun kommt es aber sehr oft vor, daß auch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für den
Geschäftsherrn, Dritte, zu denen möglicherweise noch der Arbeitgeber, jedenfalls aber nicht der schädigende Arbeitnehmer
vertragliche Beziehungen hat, in ihren Rechtsgütern verletzen. Es stellt sich die Frage der sog. Außenhaftung, d.h. ob der
Arbeitnehmer dem Geschädigten deliktisch haftet, oder ob die Haftung ausschließlich auf den Geschäftsherrn zu kanalisieren ist.
Hierzu sollte man sich zunächst überlegen, daß das Arbeitsverhältnis ein Rechtsverhältnis besonderer Art ist.<3> Es ist
beispielsweise geprägt von einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis, aber auch von einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
gegenüber dem Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer wird nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse tätig (das
Gelderwerbsinteresse des Arbeitnehmers ist nur der Grund, warum er überhaupt tätig wird, seine Tätigkeit selbst aber geschieht
im Interesse des Arbeitgebers). Nun gibt es Tätigkeiten, bei denen erfahrungsgemäß auch einem sorgfältigen Arbeitnehmer Fehler
unterlaufen können, die zwar vermeidbar sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit gerechnet werden
muß. Es wäre nicht gerecht, müßte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber oder einem anderen Geschädigten den Schaden aus
eigener Tasche ersetzen. Dem Arbeitgeber wäre nämlich, hätte er selbst Hand angelegt, früher oder später bei solcher
sogenannter »gefahrgeneigter Arbeit« ebenfalls ein Mißgeschick passiert. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung ein
abgestuftes Haftungsschema entwickelt, <4> wonach der Arbeitnehmer bei Vorliegen einer gefahrgeneigten Arbeit dem
Arbeitgeber je nach Fahrlässigkeitsgrad nicht oder nur teilweise haftet.<5> Außerdem hat der Arbeitnehmer unter den gleichen
Vorausetzungen einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber, wenn er einem Dritten gegenüber schadensersatzpflichtig
wird.
Es wäre nun denkbar, diesen Gedanken auch auf die Außenhaftung von Arbeitnehmern zu übertragen, d.h. die Eigenhaftung des
Arbeitnehmers entfallen zu lassen und die Haftung auf den Arbeitgeber als Organisationsträger zu kanalisieren. Die rechtliche
Konstruktion wäre, nicht den Arbeitnehmer, sondern nur den Arbeitgeber als Träger der Garantenpflicht und damit als
schadensersatzpflichtig anzusehen. Für einen solchen Wegfall der Außenhaftung des Arbeitnehmers spricht vor allem, daß er
nicht im eigenen Interesse tätig wird, trotzdem aber möglicherweise ruinösen Schadensersatzforderungen ausgesetzt werden kann,
obwohl hauptsächlich dem Arbeitgeber die Früchte der Arbeit zugeflossen sind. Der erwähnte Freistellungsanspruch hilft nicht
immer. Zum einen kann es an den Voraussetzungen einer gefahrgeneigten Arbeit fehlen, zum anderen kann der Arbeitgeber
insolvent werden.
Für die Rechtsprechung kommt eine solche Lösung jedoch erklärtermaßen nicht in Betracht, wie der folgende, auch wegen der
Darstellung der einzelnen Auslegungsmethoden lesenswerte, Entscheidungsauszug zeigt:
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