Musiksoziologisch betrachtet der unmittelbare Vorläufer der Heimorgel! Als auch Kleinbürger noch Wert darauf legten, Bürger zu sein (und nicht wie heutzutage Prolls, die ihre Midlife-Crisis hinter sich haben und deswegen statt Modern Talking James Last hören), stand in so manchem Wohnzimmer ein »Hellas« oder »Schimmel«... leider wurden nach 1945 Wohnhäuser zunehmend dünnwandiger gebaut, worunter die Schallisolierung merklich litt, so dass Klaviere in Etagen-Mietwohnungen bald nicht mehr so gerne gesehen waren. Aber dafür kamen ja in den 60er Jahren die Heimorgeln auf, die bald auch schon die Möglichkeit zum Kopfhöreranschluss hatten (meine alte Eminent Solina P-240 hat keinen!) und damit die Fortführung (klein)bürgerlicher Hausmusiktraditionen erlaubten (wenn man mal vom alljährlichen Blockflötengequietsche unterm Weihnachtsbaum absieht...).
Der heutige degenerierte Proll-Kleinbürger hingegen macht keine Hausmusik mehr, allenfalls noch Housemusic im tiefergelegten Polo (ummmz, ummmz, ummmz...), wozu gibt es schließlich CD-Player? Folglich landeten im Laufe der 1990er und 2000er Jahre Hunderttausende Heimorgeln im Sperrmüllschredder, wohingegen das Klavier eine Renaissance erlebt - jetzt allerdings beim zu Geld gekommenen Teil der Generation Golf, und da darf es dann auch schonmal ein Steinway sein.
Unabhängig von solchen soziokulturellen Aspekten habe ich immer diejenigen beneidet, die von der Pike auf gelernt haben, mit einer echten Klaviertastatur umzugehen, zweihändig mit allen Schikanen... eins ist sicher, mit Heimorgel-Unterricht wäre Rick Wakeman niemals Keyboarder bei Yes geworden (und das Intro zu »Morning has broken« hätte wohl oder übel Elton John einspielen müssen...), und auch Aphrodite's Child wäre wahrscheinlich nie gegründet worden, wenn der vierjährige Vangelis seine ersten musikalischen Gehversuche an einer Wersi Orion unternommen hätte... aber damals gab es ja zum Glück zwar schon die ersten Tonrad-Hammonds, aber noch lange keine Heimorgeln!
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