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dataminer schrieb am 23.10. 2005 um 14:34:29 Uhr über

gag


Wir schreiben das Jahr 2035.


Mein Leben neigte sich dem Ende zu. Es war ein erfuelltes Leben, voller

Spass, Computer, Sex und Burger King. Doch irgendwann geht alles mal zu

Ende. Natuerlich war's bei mir die Manneskraft die mich zuerst verliess.

Das merkte ich daran, dass ich es nicht mehr schaffte mit meinen

zweiundsiebzig Jahren, eine Frau mehr als neun mal hintereinander zu be-

friedigen. Auch die Frauen mit denen ich all die Jahre meinen Spass

hatte, wurden nicht vom Alter verschont. Bumste ich gestern noch

Sechzehnjaehrige, war es mir heute nur noch vergoennt mit schamlosen

Sechzigjaehrigen meinen orgastischen Spass zu haben. Und mal ehrlich, wer

will denn schon solche alten Fregatten bumsen? "Achtzehn muss sie sein

und quieken wie ein Schwein", war der damalige Slogan unter uns

maennlichen, jugendlichen Schnellspritzern. Ein Spruch dem ich bis ins

hohe Alter die Treue hielt.


Ein weiterer Schlag fuer mich war der Verlust meiner vielen Freunde und

Pointkollegen. Sie alle hatten mich nacheinander verlassen. Heute kann

ich sie nur noch auf dem Stadtfriedhof besuchen und ihre Grabblumen

giessen. Ich Zombie, war der Letzte einer Gruppe von Menschen, der noch

die ver- altete Technik nutzte und mit einem Telefon via Modem, Daten

aus einer Mailbox abrief. Doch das alles gibt es nun nicht mehr. Es gibt

nicht mal mehr Mailboxen. Die Leute haben den Kontakt zueinander

verloren. Jeder lebt nur noch fuer sich selber, keiner kuemmert sich mehr

um den anderen. Aus diesem Grund - und weil mir die Krankenschwestern im

Altersheim, immer die Disketten klauten - hatte ich waehrend einer

Selbstbefriedigung beschlossen mein Leben zu beenden. Ich wollte meinem

Leben ein Ende setzen. Ich wollte nicht warten bis der liebe Gott mich

ruft. Nein, ich beschloss ihm schon vorher auf den Geist zu gehen!


Sogar die Frage wie ich sterben wollte, hatte ich mir bereits

beantwortet:


Mein Tod musste spektakulaer und ekelerregend sein - so wie es mein ganzes

Leben schon war.


Nicht das ich unbedingt ein philosophisches oder soziales Zeichen setzen

wollte, nein, ich wollte schoen grausam sterben und denen, die mich

kannten, noch einen schoenen Verabschiedungsschock verpassen.


Mein Plan war es von einem Haus zu hobsen und unten wie ein mit Wasser

gefuellter Luftballon aufzuklatschen. Ich rieb mir schon freudig die

Haende, bei dem Gedanken wie mein fetter, alter Zombiekoerper auf dem

harten Beton aufschlaegt und meinen Kopf zerfetzt. Mein Gehirn sollte

sich in tausend kleine, matschige Gewebeteile quer ueber die Strasse

verteilen. Mein Bauch durch den Aufpralldruck aufreissen, die Organe und

Daerme sollten rausspritzen und sich um eine Ampel wickeln. Vielleicht,

so hoffte ich, klatscht das Zeug auch einem Politiker oder

Steuerbeamten, der zufaellig des Weges kommt, in die Fresse. (Ich kann

diese Berufsgattung einfach nicht leiden).




Einige Tage spaeter war's dann soweit. Der grosse Tag war da, mein grosser

Tag. Ich kletterte auf ein Geschaeftsgebaeude einer verkehrsbelebten

Strasse. War nicht leicht mit meinen Kruecken die Regenrinne rauf zu

kommen (vielleicht haette ich doch den Aufzug nehmen sollen). Mein

kuenstliches Gebiss fiel mir auch aus dem Mund und in einen Strassengulli.

Zwar brauchte ich das Ding nun nicht mehr, aber aergern tats mich

trotzdem; immerhin hatte ich dafuer mal viel Geld bezahlt. Als ich das

Dach erreichte, musste ich erst mal verschnaufen. Fast waere ich an

Luftknappheit gestorben. Und auf meinen schoenen Sprung haette ich dann

auch verzichten muessen. Aber es ging ja noch mal gut.


Nun begab ich mich zum Dachrand. Hui, war das hoch, ganze acht Etagen.

Da kann es einem schon mulmig werden. Aber ich konnte mich beherrschen

mein letztes Mittagessen (5 kuenstliche und BSG-freie Hamburger)

auszukotzen, und bereitete mich auf meinen Sprung vor. Ich wusste genau

wie ich zu springen hatte, um so aufzuschlagen damit es reichte in die

Abend- nachrichten zu kommen: Ein Kopfsprung, wie vom Einerbrett sollte

es werden. Das hiess fuer mich, die Hockposition einnehmen. Doch leider

hatte ich die Rechnung ohne meine Kruecken gemacht, ueber die stolperte

ich naemlich, gerade, als ich in besagte Hocke gehen wollte. Ich verlor

mein Gleichgewicht und fiel vom Dach - ruecklings. Das Ganze ging so

schnell, ich vergass sogar zu schreien. Und haste nicht mal bis Drei

gezaehlt, schon schlug ich unten auf dem Fahrbahndamm auf - mit dem

Ruecken. Nicht mal das Knacken und Krachen meiner Knochen hoerte ich. Ich

glaube, ich hab's auch nicht mal gespuert. Und tot war ich auch nicht,

konnte mich zwar nicht mehr bewegen, war aber auch nicht tot - Mist!

Dafuer sah ich wie sich eine Horde Menschen um mich versammelte und

lauthals nach einem Krankenwagen und einen Notarzt bruellte. Ich wollte

sagen, dass das unwichtig sei und das sie mich sterben lassen sollten,

aber ich bekam keinen Ton heraus, so sehr ich mich auch anstrengte.

Ploetzlich schrie jemand wie am Spiess (war bestimmt eine Frau, die

schreien immer so hysterisch). Leider konnte ich meinen Kopf nicht

drehen und sehen, was der Grund fuer den Schrei war. Dann hoerte ich wie

jemand rief, dass ein LKW-Fahrer die Kontrolle ueber seinen 25-Tonner

verloren hatte. Und dieser zehn Meter lange Truck der Firma "Milch fuer

Babys", raste genau auf die Stelle zu, auf der ich mich befand. In Panik

sprangen alle Leute von der Strasse, um sich in Sicherheit zu bringen -

natuerlich, mich liessen sie liegen. Mal wieder ein typisches Beispiel

dafuer, wie mein Leben ablief: Neunundneunzigtausend Mann im

Fussballstadion, wer kriegt den Ball in die Schnauze? Ich!


Der Laster preschte heran und keine Sekunde spaeter ueber mich rueber. Mit

dem linken Vorderrad erwischte er meinen Kopf. Das Blut spritzte quer

ueber die Strasse und mein Gehirn blieb am Reifen haengen. Die Hinter-

raeder des LKW zermatschten den Rest meines Koerpers, und wie ich's mir

wuenschte, flogen einige meiner blutgetraenkten Organe durch die Luft und

klatschten so manchen vor die Fuesse. Leider keinem von der Steuer-

behoerde. Zumindest war gesichert, dass ich in die Abendnachrichten kam.

Bingo!


Tja, nun war ich tot. Aber noch immer konnte ich denken und fuehlen. Nur

hatte ich keine Schmerzen und auch mein Koerper war heil, sogar der Kopf.

Alles war saeuberlich vorhanden. Lebte ich? Aber das konnte nicht sein.

Der Lastwagen hatte mich doch voll erwischt. Und ueberhaupt war alles um

mich herum schwarz. Ich konnte nur mich selbst sehen - das war alles.

Aber Moment, ich stand auf etwas. Ich bueckte mich zu meinen Fuessen und

versuchte den Boden zu betasten, aber meine Hand glitt ins Leere. Was

sollte denn der Quatsch? Ich spuerte auf etwas zu stehen, aber anfassen

konnte ich's nicht? Eigenartigerweise fuehlte ich mich ploetzlich so gut,

richtig frisch und ausgeruht. Ueberhaupt konnte ich meine Beine ohne die

Kruecken bewegen. Das war auch gut so, denn ich hatte keine Kruecken - wo

immer ich hier auch war. Ich fasste mir ins Gesicht, tastete alles ab und

stellte fest, dass mein Gesicht wieder jugendlich frisch war, so, wie

einst, als ich als Dreissigjaehriger lebte. Ich sah mir meinen Koerper

genauer an, und tatsaechlich, alles an mir war wieder jung. Vor allem

mein kleiner »Zombie« stand wieder wie `ne Eins. Also irgendwas musste

das doch bedeuten.


»Hallorief ich, aber niemand antwortete. Warum auch? War ja niemand

hier. Ich rief unnoetigerweise noch mal, und dann noch mal. Aber nicht

die kleinste Antwort. Sollte das also der Tod sein? Sollte er so

aussehen? Nur Schwaerze um einen rum und mit einem Fussboden unter den

Fuessen, den man nicht anfassen konnte?


Endlich versuchte ich zu laufen. Ich lief einfach geradeaus und lief und

lief. Ich wusste nicht ob ich wirklich lief, zumindest aber kam es mir so

vor. Auch ob ich geradeaus ging wusste ich nicht - bei der Schwaerze

konnte ja kein Toter etwas sehen. Und wenn ich nun auf einen Abgrund

zuliefe? Als ich diesen Gedanken hatte, blieb ich vor Schreck stehen.

Irgendwo runter fallen wollte ich auch nicht. Ich wuenschte mir eine

Taschenlampe. Aber wie es im Leben nun mal ist, Wuensche bleiben oft

unerfuellt. Besonders dann, wenn man das Resultat des Wunsches bitter

noetig hatte.


So, und nun stand ich da so rum, und eigentlich haette ich mir auch an

den Eiern spielen koennen. Das Stehen wurde mir zu bunt, ich setzte mich

und machte nichts im Nichts. Ich wusste nicht wie lange ich da sass,

koennen Minuten, Stunden, aber auch Tage und sogar Jahre gewesen sein.

Ich wusste ja nicht mal, ob hier der Begriff »Zeit« existierte. Vor

lauter Langeweile begann ich mit den Fingern zu schnipsen, ab und zu

ruelpste ich, und einen kraeftigen Pforz liess ich auch ab - der allerdings

geruchlos blieb - leider, sonst haette vielleicht jemand bemerkt, dass ich

anwesend war. Ja, Himmel, war das hier die Hoelle? Wenn ja, wo ist dann

das vielzitierte Hoellenfeuer? Wo der Teufel? Ueberhaupt war's hier weder

kalt noch warm. Also irgend wie fand ich den Tod beschissen und

langweilig.


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