In der Wikipedia habe ich gerade keine Lust zu schreiben, also kann ich auch einen Absatz in meinem Ersteintrag zu den Bestrafungswünschen noch ein bisschen ausbauen:
In der klassischen (analytischen) Tiefenpsychologie sind vor allem zwei (sich nicht widersprechende) Theorien zu den (unbewusst und oft auch bewusst tatsächlich existierenden) Bestrafungswünschen geläufig: die eine hängt mit dem zum ersten Mal umfassend von Theodor Reik explorierten und erklärten GESTÄNDNISZWANG und mit der Erleichterung für den 'psychischen Apparat' (spez. über das ÜBER-ICH gesteuert) zusammen, wenn eine vom eigenen ICH / ÜBER-ICH bewusst oder unbewusst als gesellschaftlich unkonform ('verboten') empfundene Handlung von hierarchisch Höherstehenden negativ sanktioniert wird. Eine Art von Reinigungsprozess, wie er in allen Kulturen so oder so als (oft religiös gebundenes) Ritual verankert ist.
Als eine andere (immer unbewusste und ungleich schlimmere) Motivation von Bestrafungswünschen, vor allem bei Kindern, gilt der Versuch, durch die Bestrafung überhaupt eine (wenigstens punktuelle) Zuwendung von den Menschen zu gewinnen, die dem Kind die dringend gebrauchte emotionale Nähe und positive Bestätigung 'sonst' verweigern.
Daraus kann sich eine Art von (scheinbarer Selbst-) Konditionierung entwickeln, so dass das Kind immer wieder etwas Verbotenes tut, 'ungezogen' oder 'böse' ist, so dass immer wieder eine Bestrafung 'nötig' (möglich) ist. Im heftigeren Fall setzt das eine Karriere von sozial schädlichem (und natürlich massiv selbstschädigendem) Verhalten in Gang.
Immer aber verselbstständigt sich das - zumal (solange) es aus unbewussten Motiven gesteuert ist. Dass die ganzen Manöver incl. der emotional und/oder physisch schmerzhaften Bestrafungsabläufe passieren, um die fehlende Liebe (erfolglos) zu ersetzen, darf ja unter keinen Umständen bewusst werden - dies wäre ja gerade die unerträglich schmerzhafte Erkenntnis, die mit Hilfe der Bestrafungen kompensiert werden und unbewusst bleiben muss. Natürlich greift hierbei auch der hilflos projektive Mechanismus der vom wahren Aggressor (Zuwendungs-Verweigerer) weg gegen sich selbst gewendeten Aggression.
Während die erstgenannte Motivation für Bestrafungswünsche (à la Geständniszwang) punktuell (und) in jedem Lebensalter auftreten kann - Stichwort: (Schlechtes) Gewissen -, werden Bestrafungs'wünsche' auf der Basis fehlender Selbstwert-Bestätigung fast immer chronisch (mit Sicherheit, solange sie individuell unbewusst bleiben).
Das heißt, die Gewöhnung an (zuviel) Bestrafung statt (mehr) positiver Zuwendung (Liebe) bleibt üblicherweise lebenslang wirksam; es ist extrem schwierig, diese Bahnung zu dekonditionieren.
(Der zuletzt beschriebene Mechanismus kann übrigens auch für viele kollektiv wirksame sadomasochistisch anmutende Phänomene mit zur Erklärung herangezogen werden; zum Beispiel lassen sich alle Arten von Rassismen in Zivilgesellschaften als Projektionen auch unter diesem Blickwinkel betrachten.)
Als dritten Aspekt kann man Bestrafungswünsche sehr grundlegend als Abkömmling des vom späteren SigmundFreud postulierten TODESTRIEBs ansehen, als Teil der von ihm angenommenen Tendenz zur Selbstdestruktion des Lebendigen.
Das habe ich nirgendwo gelesen (oder wieder vergessen), aber es scheint mir evident.
Das Vertrackte ist, dass das individuell-einvernehmliche Ausleben von Bestrafungswünschen als Erwachsene(r) ohne weiteres psycho-ökonomisch oder -energetisch (-hygienisch) wesentlich gesünder sein kann (oder ist), als die entsprechenden Wünsche zu unterdrücken zu versuchen (was sowieso nicht gelingt, die Ersatzhandlungen 2. Grades sind individuell und für die Gesellschaft oft viel schädlicher) - solange, SOLANGE kein anderes Ventil zur Verfügung steht oder eine Transformation (via Sublimierung o.a.) gelingt.
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So, 50 Minuten Arbeit (am Text) für die, die's vllt. interessiert.
Ich glaube aber, ich kopier das Teil jetzt einfach, überarbeite's noch mal kurz und mach bei der Wikipedia dann doch gleich einen neuen Artikel über 'Bestrafungswünsche' auf.
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