Rolf Dieter Brinkmann
Sonntagsgedicht [Auszug]
(...)
Ich habe dreckige Hände und kein sauberes Hemd,
ließ mir einen abwichsen für Geld und dachte an
Orgelkonzerte. Ich spucke auf
die Literatur: auf den Schmerz,
persönlich erlitten und
artikuliert,
»Lebenserfahrung,« du Misthaufen, Wut
& andere Schüttelrhythmen,
»auf in den Westen, weiter,« die besondere
Art Musical, wo am Ende keiner mehr
übrigbleibt, alles rot und grau,
dunkle, feuchte, gemietete
Zimmer, autobiografische
Einsamkeiten,
darauf sind sie scharf, hier
in diesem Todesterritorium Westdeutschland.
Noch habe ich keine falschen Zähne & ich pisse nicht
in die Wäsche, mein Atem stinkt noch nicht
nach einem alten Mann, der in eine ausgebreitete Zeitung hustet, und ich
mache mir nicht die Mühe, mich von
rückwärts zu fotografieren. Ich
gebe die verschiedenen Großväter und Großmütter auf, die alle
glaubten, vorwärts zu gehen, wo sind sie jetzt?
Pause. Fliegen summen.
Was glaubst du, Mädchen,
clever zu sein, mir die Eier
abklemmen zu können
mit deinen Ansichten,
viele Weiber sind der Staat,
eingesperrt
darin, zieh Leine, Dose.
(...)
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