Verfassungsfeind
Bewertung: 1 Punkt(e)Wenn wir über »Verfassungsfeind« reden wollen, müssen wir uns zunächst darüber klar werden, was eigentlich »Verfassung« ist. Dieses ist der jeweils gegenwärtige Zustand eines Gemeinwesens - etwa in der Art, wie man von der guten oder schlechten Verfassung eines Gebäudes, eines Menschen, oder einer Rinderherde sprechen kann. Das Verfassungsgesetz dagegen ist lediglich ein Gesetz, daß beschreibt, wie diese Verfassung aussehen soll. Das Verfassungsgesetz verhält sich also zur Verfassung, wie ein Lehrbuch über Rinderzucht zur Rinderherde, ein Gesundheitsleitfaden zum Menschen und ein Bauplan zu einem tatsächlichen Gebäude. Ein Verfassungsfeind ist demnach kein Feind des Verfassungsgesetzes, sondern vielmehr ein Feind des gegenwärtigen Zustandes eines Gemeinwesens. Es wäre von diesem Standpunkt aus überhaupt nicht verkehrt, wenn man diejenigen, welche die großzügige Vergabe von akademischen Titeln, insbesondere dem des Doktors, an Funktionäre herrschender Parteien, durch Aufdeckung von Unrechtmässigkeiten bei dieser Titelvergabe angreifen, als Verfassungsfeinde anzusprechen. Ebenso sind selbstverständlich alle diejenigen Verfassungsfeinde, die die gegenwärtige Zusammensetzung gesetzgebender Körperschaften, der Parlamente insbesondere, grundlegend verändern wollen dadurch, daß neue Gruppierungen - Parteien - in diese Körperschaften Zutritt erlangen. Und selbstredend ist es von daher legitim, daß der Verfassungschutz sich der vorsorglichen Beobachtung dieser Gruppierungen annimmt. Das Prinzip des Verfassungsschutzes, das keineswegs auf die so betitelte Geheimpolizei beschränkt ist, findet sich konsequenterweise auch in der Steuergesetzgebung wieder, die keineswegs das Vermögen als ökonomische Grundlage der gegenwärtigen Verfassung mit harten Steuerlasten belegt, sondern vielmehr das Einkommen, also den Versuch, ein Vermögen zu erwerben, und genau dadurch den gegenwärtigen Zustand des Gemeinwesens - seine Verfassung - zu verändern sucht. Es ist eine interessante Aufgabe der Volkswirtschaftslehre, diejenige Menge an Einkommen zu definieren, welche als Verfassungsfeindlich angesprochen werden, und daher durch entsprechende Steuerlasten eleminiert werden muß.