Staatsexamen
Bewertung: 1 Punkt(e)Arbeit und Entbehrungen von Jahren gerinnen in diesem einen Moment des Examens. Unzählige Biere, die man nicht getrunken, Mädchenmünder, die man nicht geküsst, Sommernachmittage in muffigen Bibliotheken über staubigen Scharteken verbrütet hat - all das kann umsonst gewesen sein, wenn man am Tag des Examens einen Schnupfen hat oder Durchfall ... die Anspannung ist imens. Gleichzeitig entsteht eisige Leere um einen herum. Freunde, Thekenkumpels, Nachbarn entfernen sich um mehrere Lichtjahre, wenn man nach dem obligatorischen Gespräch zur Anmeldung beim Prüfungsamt zurückommt: jetzt gibt es nur noch eines, was zählt. »Beziehung« ? - Scheiss drauf ! Und man scheisst auch drauf. Staatsexamen ist irgendwie assozial. Und dann kommt das Warten auf die Ergebnisse. Es dauert nicht nur Wochen - es dauert Monate. Und irgendwann liegt da ein amtlich blauer oder gelber, riesig fetter Umschlag in Deinem Briefkasten, den du 3x am Tag kontrolliert hast in den letzten 6 Wochen und da sind dann die Ergebnisse drin. Der Umschlag wird zerfetzt, Schweiss steht auf der Stirn, die Hände zittern. »Der Präsident des Landesprüfungsamtes« und dann geht es los: Seitenlange Erklärungen, Belehrungen, Rechtsmittelbehelfe ... Deine Arterien an der Schläfe drohen zu platzen und dann endlich, auf Seite 17 kommt das Ergebnis ... Ich hatte bestanden. Ex-Amen. Anderthalb Stunden lang saß ich auf der Treppe, dieses Schriftstück in den Händen, keuchte vor mich hin, konnte mich nicht mehr rühren. Die Psyche, monatelang, über ein Jahr lang zu einem messerscharfen Faustkeil der Konzentration kristallisiert, wandelt sich in dieser Stunde in einen schlammigen Treibsand. Schlafen, Alkohol, Cannabis, Wichsen (Beziehung - war da mal was ?) ... und irgendwann steht man auf einer Brücke, an einer Bushaltestelle, an einer Schwanzbude und fühlt bis in die letzte Faser der Unterhose: Dir gehört ab jetzt die ganze Welt !