Scheißhausparole
Bewertung: 1 Punkt(e)Sogar im Radio das ich einschalte, rollen die Panzer: Diesmal scheint das Ende des Krieges wirklich nahe zu sein – 59 Jahre und 316 Tage, durchhalten bis zum achten Mai, dann haben wir uns alle wieder lieb. Und immer dieser stereotype Satz an uns Nachgeborene, wir könnten uns den Schrecken dieser Zeit gar nicht mehr ausmalen; die wissen ja gar nicht mehr, was wir alles können! Seh ich richtig vor mir, der Rhein April 2005, etwa 20.000 ausgezehrte Düsseldorfer, denen die Diesel fast von den Beinen fallen, halten auf die letzte freie Brücke, die Theodor-Heuss-Brücke zu, um ans befreite Ufer zu gelangen. Von drüben, aus dem Löricker Wäldchen und aus Niederkassel Kartätschenfeuer. Plötzlich schlägt eine ferngelenkte Rakete in der Mitte der Brücke ein und zerstört sie. Die Massen, die sich über die Cecilienallee nähern, im Chor: »Och Menno!«. Was sollen sie jetzt tun? Der Russe, oder wer gerade der Russe ist, wird noch in der Nacht Düsseldorf einnehmen, das ist sicher. Sofort schwirren aufgeregte Scheißhausparolen durch die brandige Luft: In Kalkum soll es noch einen funktionierenden W-LAN–Stützpunkt geben, »die nächsten fünfhundert Blogs könnten noch abgehen von da...« Auf diesen bloßen Verdacht hin machen sich einige hundert Gestalten mit Computertaschen auf den unsicheren Weg. Eine größere Gruppe beschließt, mit Fahrrädern bis zum Chinesen nach Mettmann durchzubrechen, »die haben eindeutig die besseren Filme«. Der große Rest der Masse kommt auch allmählich zur Ruhe und beschließt, gegen angemessene Entschädigung die letzten offenen Cappucinobars zu plündern und schaut sich die Kapitulationserklärung Fischers auf dem Plasmabildschirm an.