Rasierwasser
Bewertung: 1 Punkt(e)Ich benutze seit gut drei Jahren kein Rasierwasser mehr, sondern eine parfümfreie Lotion, ein spermatisch anmutendes Fluid, das binnen Sekunden rückstands- und wichtiger noch geruchsfrei einzieht. Denn für den meist recht kurzen Frischekick eines Rasierwassers klassischer Prägung riskiere ich keine Dissonanz in meiner zu einem späteren Zeitpunkt der Morgentoilette sorgsam feingestimmten Duftorgel. Wie ein Eau de Cologne ist das AfterShave meist ein flüchtiges Vergnügen, Toilettenwasser und Eau de Parfum hingegen können auch schon mal einen halben Tag in subtil geschiedenen Stufen, vom Diskant einer spitzen Neroli-Kopfnote bis in den tief rollenden 16-Fuß einer Adlerholzbasis. Was nicht heißt, dass ich kein Verständnis für des rasierenden Mannes (selbst hierzu zähle ich nur bedingt) Wunsch nach einem duftenden Abschluss des heiklen Schälvorgangs hätte - ich griffe jedoch, käme ich etwa in die Verlegenheit, ein Rasierwasser zu verschenken, nur auf ausdrücklichen Wunsch in die plärrbunte Markenkiste, deren Namen auf den Gesäßtaschen jedes zweiten Herrenhinterns zu finden sind, Boss, CK und wie sie alle heißen, sind meist flüchtige und wenige verfeinerte Vergnügen. Eher dann schon eine Abgespreiztheit wie die bei Manufactum und anderen Retrosnobisten angebotenen Raritäten, einen Moschus-Arnika-Cocktail von irgendwelchen kreuzblinden Benediktinern, eine Lederkomposition aus den maurischsten Gässchen Portos, die 1500 Fläschchen füllt die Großmutter noch jedes Jahr selbst mit dem Familienlöffel ab; solche Wässser riechen oft nicht wirklich gut, immer jedoch einzigartig und hinterlassen so in dem Beschenkten das Gefühl, für einzigartig erachtet zu werden. Was er, 'einmalig wie wir alle' sicherlich auch ist. Die Menschheit ist ein großer, bunter, duftender Blumengarten, es ist halt auch viel Irisch Moos darunter.