Neonröhre
Bewertung: 3 Punkt(e)Als längstaufgeschossenster Lehrjunge unserer Buchhandlung war es meine Aufgabe, durchgebrannte Neonröhren herauszuschrauben und im benachbarten Haushaltswarengeschäft durch eine neue zu ersetzen, was ich in den ersten Jahren bei der schon mählich an Alzheimer zu erkranken beginnenden deutschstämmigen Inhaberin, welche wir aufgrund ihres pathologischen Interessen an der jüdischen Kultur stets 'Sulamith' zu nennen pflegten (eines Nachts hatte sie etwa den örtlichen Pfarrer, ein guter Freund unseres Hauses, angerufen und in mit den Worten zu sich zitiert: »Die Juden! Die Juden kommen aus ihren Gräbern hervor!« No joking), zu leisten hatte. Es war immer etwas gespenstisch, bei Sulamith die Röhre wechseln zu lassen, da das ganze nur unter wirrem Murmeln und Brabbeln ihrerseits vonstatten ging, und sie auch gelegentlich über dem Gang ins Lager (dem Materiallager) vergaß, was sie dort eigentlich wollte, aber am Ende hat es dann doch immer geklappt, und so waren wir bis zum Ende meines Arbeitsverhältnisses stets ausreichend in jenes unappetitliche Licht getaucht, welches Neonröhren nun einmal zu leisten pflegen, die zeitgeistigere und ähnlich unschöne Form der Halogenbeleuchtung kam erst nach meiner Kündigung in Gebrauch, wobei ich psychosenfrei genug bin, zwischen beiden Ereignissen keinen Zusammenhang zu sehen.