Mietshaus
Bewertung: 1 Punkt(e)Also Hotels online buchen, weil man sich bis zum Vorabend der Abreise um die Notwendigkeit einer Übernachtung in der fremden Stadt nicht gekümmert hat und einen dann nur noch die Geschwindigkeit des Elektrischen retten kann, ist so eine Sache. Und wenn man dann noch so einen von Google einem vor die Füsse geworfenen Online-Vermittlungsservice nutzt, der allein den erforderlichen Überlick über die stadtweiten freien Zimmer hat, und in dessen Auswahloptionen erstmal die billigste Kategorie ansteuert, dann kann es einem doch passieren, dass das Hotel, das sich immerhin ja Hotel nennt, eigentlich ein Mietshaus ist. Und auch noch ein Mietshaus, in dem zum Zwecke der Zimmerzahlmaximierung und damit Umsatzexplosion in die wahrscheinlich einst normal grossen Wohnungen und Zimmer massenweise tapazierte senkrecht aufgestellte Pappebenen, Wände genannt, aufgezogen wurden. Also gut, Zimmer mit WC stimmte ja, auch wenn das WC 14 Zimmer weiter gegenüber Zimmer 33 lag; wie hätte man den Pott auch auf den 7,5 Quadratmetern unterbringen sollen? Egal, man hält sich ja so gut wie gar nicht in seinem Zimmer auf, nur um sich des Abends ohne Zögern in seine Koje zu schmeissen und schleunigst einzuschlafen, wenn einem nicht, und das war natürlich vorauszusehen, die Pappwände dazwischenkommen. Die zwei Typen nebenan waren jedenfalls bester Stimmung, was unmöglich zu überhören war, obwohl man nicht behaupten konnte, sie hätten herumgegrölt, aber um ein Stück Pappe schallwellenmäßig zu durchdringen, war das auch nicht notwendig. Die Lage wurde jedoch dramatisch, als einer von beiden plötzlich in seinem osteuropäisch verhärteten Englisch begeistert ausrief: »Judge Dredd!«. Ach Du Scheisse. Der Fernseher ging an und schon erfüllte die drohende Stimme Sylvester Stallones nicht nur die Strassen von L.A. (wars L.A.?), sondern auch die Flure des Mietshauspseudohotels. Der Mann räumte gerade aufs heftigste auf und die Geräuschkulisse reichte aus, ihm Schritt für Schritt zu folgen. Die Begeisterung war groß und ganz und gar nicht im Abnehmen begriffen, so dass jetzt Handeln für die Sache des ersehnten Schlafes notwendig wurde. Gut, also erstmal selbst den Fernseher anschalten und herumzappen. Da war die Lösung: Stigmata, die Schreie der von den aufbrechenden Wunden schmerzgeplagten Frau und die unerbittliche Stimme des Herrn Jesus Christus persönlich, die aus ihr mit willkommener Wut sprach. Hoho, erstmal die Kiste lauter drehen, ja, das war der Kampf des finstersten Blut-und-Wunden-Mysteriums gegen den brust- und muskelschwellenden Gerechtigkeitsrambo. Tja, ich hatte den Herrn auf meiner Seite, sie waren chancenlos, die Stimmen wurden leiser und der Fernseher irgendwann auch, ha. Tolles Fernsehprogramm, aber das kann man ja auch immerhin von einem Hotel erwarten, das drei Sterne auf einem goldenen Schild an seinem Mietshauseingang hat.