Lokalreporter

Dolfnitzer heißt er. Mit dem Mann ist nicht zu spaßen. Als Inhaber eines im lokalen Handel tätigen Familienbetriebs habe ich seinen ganzen Zorn zu spüren bekommen, als ich ihm - versehentlich! - verdorbene Ware verkauft habe. Er hat sich mit einer 40-seitigen E-Mail zurückgemeldet, dass er von der Presse sei, und an die Presse gehen werde. Er werde alle von mir begagngenen Schändlichkeiten offenlegen, um mich als Unternehmer zu diskreditieren und in den Ruin zu treiben, um meine bürgerliche Existenz und die Existenz meiner Familie zu vernichten. Wie Tiere würden wir im Wald hausen müssen, hatte er geschrieben, uns von Eicheln und Tannenzapfen ernährend.

Ich habe seine wahnwitzigen Ausführungen mit einem schallenden Lachen auf meinem Samsung Galaxy S7 gelesen. Na, ich wollte ihn dann schließlich zur Rede stellen, denn kurz danach traf ich ihn auf der Einweihungsfeier eines neuen Autohauses in einer der umliegenden Marktgemeinden. Da hat er gleich die Bullen gerufen, bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte! Zu meinem großen Entsetzen musste ich feststellen, dass er mächtige Freunde in der Polizeidirektion des Landkreises zu haben scheint, denn man hat mich sofort umstandslos zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit auf die Wache genommen, während der Dolfnitzer feixend zurückblieb. Ja, im Rückspiegel des Polizweiwagens, in den sie mich mit Handschellen verfrachtet hatten, habe ich den Dolfnitzer gesehen, wie er noch die Zunge gegen mich herausstreckte und sich auch ansonsten ganz köstlich zu amüsieren schien, während der Wagen langsam davon fuhr und ich den Dolfnitzer und das Autohaus schließlich nicht mehr sah, da wir schließlich hinter einer Pferdekoppel abiegen mussten, denn die Hauptwache des zuständigen Polizeiabschnitts lag in der nächstgrößeren Kreisstadt. Eine Anzeige wegen Beleidigung wollten die Beamten dort schließlich gegen den Dolfnitzer nicht aufnehmen. Sie haben es kategorisch abgelehnt, sich die E-Mail auf meinem Handy auch nur anzusehen und mich noch - barsch, sehr barsch - gefragt, was ich mir eigentlich erlaube, jemanden, wie den Dolfnitzer anzegen zu wollen! Dem Dolfnitzer ist also nichts weiter passiert. Im Gegenteil, sein Ansehen scheint in den umliegenden Gemeinden zu steigen... Ich muss vorsichtig sein und mir von jetzt an jeden meiner Schritte reiflich überlegen!