Kopernikusschmerz

Die historische kriminologie fragt sich bis heute, ob Kopernikus nicht tatsächlich von seinem Assistenten Tycho Brahe vergiftet wurde, wie ich das mal am Rande mitbekommen habe. Auch möglich, daß ich hier einiges durcheinandergeworfen habe, und Tycho Brahe vielmehr der Assistent von Kepler war und diesen vergiftet hat, oder umgekehrt Kepler Tycho Brahe vergiftet oder Kepler gar Kopernikus vergiftet hat oder Kopernikus Kepler oder Tycho Brahe von Kopernikus vergiftet wurde. Über solcher historischen Verwirrnis dämmert bei mir aber letztendlich irgendwo die halbherzig hochmütige Einsicht, daß der ganze moderne Erkenntnisbetrieb doch irgendwo im Innern nach dem Prinzip von gefährlicher Arkanwissenschaft organisiert ist. Newton selbst hat es ja in seinen Tagebüchern nicht lassen können, feierlich Gott darum zu bitten, an ihm unliebsamen Personen die »Vernichtungsweihe« zu vollziehen. Die Gewißheit, daß aus solchem Sektierertum letztendlich nichts anderes entstehen kann als schnöde Luft- und Raumfahrt, Brillen, Antidepressiva und ein paar Herzschrittmacher, wird auch schon durch einen kurzen Besuch in einer naturwissenschaftlichen Universitätsfakultät aufs schrecklichste bestätigt, und man wird solchermaßen über das Grübeln, welche unaussprechlichen Schmerzen der vergiftete Kopernikus wohl auf seinem Sterbebett ausstehen mußte (oder Kepler oder Tycho Brahe) geradezu in einen urchristlichen Mystizismus gedrängt. Das endet auch schon mal bei der Zungenrede in der Fußgängerzone und damit auf unabsehbare Zeit im Spital...