Eurydike
Bewertung: 2 Punkt(e)Es ist nicht untertrieben zu behaupten, daß Eurydike im Orpheusmythos eher blaß gezeichnet bleibt. Eigentlich schade, bestimmt hätte sie auch ein paar kauzige Anekdoten zu erzählen gehabt. Vielleicht war es aber auch so: Orpheus, müde, grau, erschöpft aber glücklich, schleicht die lange steile Treppe des Hades herauf. Hinter ihm Eurydike: »Was bin ich froh, daß du mich hier rausholst, da hätte ich es keinen Tag länger ausgehalten. Ich brauche jetzt erstmal eine kastalische Quelle. Der Kiton ist auch hinüber. Kurz bevor du kamst, ich frage einen der Oberaufseher, ob ich etwas zu essen bekommen könnte, die lange Bootsfahrt und all das... Weißt du, was der mir anbietet? Asche! Seh ich aus, als ob ich Asche fresse?« Orpheus hält kurz inne, besinnt sich einen Augenblick, dreht sich dann um, schaut sich dann zu Eurydike um, murmelt: »Nein, so schaust du nicht aus...« und sich zum Gehen wendend, während die Unglückliche mit einem dünnen Schrei über die Hadestreppen abwärts ins Dunkle kreiselt, entringt sich seiner Kehle zum ersten Mal nach Wochen ein Lied.