Erklärungsnotstand
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Eine der witzigsten Begebenheiten meiner Zeit als Dozent am Soziologischen Institut wurde von zwei Studentinnen ausgelöst, die neu in meiner Lehrveranstaltung waren. Ich hatte ihre Gesichter noch nie gesehen, aber das war ja so ungewöhnlich nicht. Sie saßen brav und anständig da, und schrieben sehr eifrig mit. Nie kam von ihnen eine Wortmeldung, auch mit ihren Kommilitonen schienen sie keinen sonderlichen Kontakt zu suchen. Erst in der dritten Sitzung meldete sich eine von den beiden. Sie erklärte, sie fänden das ja alles ungeheuer interessant, was ich da erzählen würde, aber es fehlte ihnen der Bezug zu den Methoden der empirischen Sozialforschung.
»Wie bitte ? Der Bezug zu was ?«
Es erhob sich schon ein leises Kichern hie und da im Seminarraum.
»Na der empirischen Sozialforschung ! Das ist doch hier die Vorlesung: «Methoden der empirischen Sozialforschung!?" Aus dem Kichern wurde ein dröhnendes Gelächter, und ich klärte die beiden Studentinnen auf:
»Das ist hier die Übung «Sozialrecht für Sozialwissenschaftler I: Das Recht der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung!"
Das Gelächter brauste nochmals auf, als die beiden Studentinnen mit hocherhobenen, beleidigt wirkendem, aber auch hochrotem Kopf den Raum verließen.