Edelweiß
Bewertung: 1 Punkt(e)Gestern abend ein Zug durch die Kölner Gemeinde. Nach diversen Leder–/Bärenbars - mit dominierenden Anteilen von Plüschbären - zu einem Absacker in eine mir unbekannte Kneipe eingekehrt, in der uns schon beim Hereinkommen Andrea Berg (heißt die so?) entgegenscholl und mir Stevie Wonders unsägliches 'I just called to say I love you' nach Jahren der Verdrängung erneut unangenehm in die Erinnerung gespült wurde. 40-60jährige Schwule, nicht den rigideren Dresscodes der Fetischbars unterworfen, bei aller mehrenteils zur Schau gestellten Homomaskulinität oft von jenem unangenehm exaltierten Frohsinn durchschossen, für den mir gerade kein besseres Wort als Klaus–Mannhaftigkeit einfällt, sie alle hätten mit minimalem Kostümwechsel jeden Weimarer Tuntenball geschmückt. Und allpräsent die an WDR4 gemahnende Schlagermusik, fade wie das in Schälchen gereichte Salzgebäck, verstaubt wie die Spiegelkugel, laut wie Türkis. Hier war die Zeit stehen geblieben und hatte sich dafür schadlos an den Gesichtern gehalten. Die Gäste um uns herum erinnerten mich an Schnecken, die sich bei Einbruch des Winters in einen schützenden Schleimpanzer hüllen, um so die kalte Zeit unbeschadet zu überstehen. Ist das der Weg, der mir, der uns vorgezeichnet ist? Wie kann man schwul leben, ohne zu verschwulen? Eltern saugen ihre Kinder aus und werden von ihnen ausgesogen: Die leere Hülle, die zuletzt mehr oder minder beweint zu Grabe getragen wird, ist aus Kalenderblättern zusammengeflickt. Dem Schwulen bleiben die Billboardcharts. Eine Studie zum Alterungsprozess taubstummer Homosexueller, das wärs noch.