Zugfahren kann ein Erlebnis sein. Vor allem eins, auf das man gerne verzichtet. Wie nuschelte doch die verrückte Schwarze heute im Zug zu niemandem bestimmten: Da kannst du ein Buch drüber schreiben, daß du eine Schwarze im Zug getroffen hast. Nun gut, ich will darüber kein Buch schreiben, aber einen Eintrag ist es allemal wert. Also, Zugfahren am Sonntag, es ist kurz nach Weihnachten, die Leute streben nach Hause.
Wir betreten den Zug und natürlich ist er voll, klar, es sitzt auch jemand auf unseren Plätzen. Es sind ziemlich stinkende Betrunkene, aber anstandslos verlassen sie die Plätze. Sie haben sogar teure Fahrkarten, teurere als unsere jedenfalls. Auf dem Gang entsteht Chaos und Tumult. Ein paar Stationen später werden die Betrunkenen aus dem Zug geworfen - angeblich haben sie in einem Abteil mit Kindern ihre Bierdose verschüttet.
Überhaupt hasse ich Abteile. Aber die Fahrkartenverkäuferin war dumm und genervt und darum haben wir halt Abteil genommen statt Großraum. Ich hasse Abteile. Egal. Die Frau gegenüber zieht einen Mann, den sie »Sportler« nennt, wohl weil er Traningshosen und Turnschuhe trägt, in das Abteil und sagt ihm, er solle sich auf den letzten freien Platz setzen, damit der Betrunkene nicht wiederkommt. Der Mann predigt Toleranz, setzt sich aber. Er scheint auch ein wenig seltsam zu sein, aber man kann ihn ertragen. Dummerweise kann er nicht stillsitzen. Schon bald lernt er eine junge Schwarze kennen, obwohl, so jung ist sie nicht mehr. Er bringt nämlich in Erfahrung, dass sie 39 Jahre alt ist und 5 Kinder hat. Sie ist auch betrunken und bittet bald, nachdem er ihr seinen Platz überlassen hat, darum ihr Bier trinken zu dürfen.
Die anderen Fahrgäste steigen bald aus. Es kommen immer neue, und die Schwarze wird immer betrunkener. Der Sportler scheint sie lustig zu finden, und sie unterhalten sich auf französisch. Wir finden es nicht lustig. Ich kann mich nicht auf mein Buch konzentrieren. Es erscheint eine weitere schwarze Frau mit einem kleinen Kind. Sie setzen sich ebenfalls in unser Abteil. Der Sportler hoffte, sie hätte nun jemanden anderen zum unterhalten. Scheinbar wird sie ihm auch lästig. Dummerweise spricht unsere 1. Schwarze nur Französisch und etwas Deutsch, sie ist aus dem Kongo; die neue Schwarze ist hingegen Somali und spricht nur sehr wenig Deutsch, etwas englisch und Italienisch. Die 1. Schwarze empört sich über das Kopftuch der 2. und versucht sie ständig zu überreden, sich freizumachen. Derweil gibt sie dem Kind zum Spielen das Weihnachtsgeschenk ihres Sohnes. Es ist eine Windel-Willy-Puppe, die aussieht wie ein Polizist und wenn man sie drückt, sagt sie: Umdrehen, bücken.
Das Kind drückt und drückt und ständig quakt die Puppe. Die 2. Schwarze muss sich von der 1. fragen lassen, warum ihr Kind kein Deutsch könne und wenn sie selbst doch so gut Italienisch könne, warum sie dann nicht nach Italien gegangen sei statt nach Deutschland. Zwischendurch bekommen wir heraus, dass sie längst hätte umsteigen müssen. Es dauert eine Weile, bis sie es versteht. Bis sie endlich aussteigt, dauert es ebenfalls eine Weile.
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