Mein Zivi-Kollege nannte mich einmal »leptosom«. Als Physiotherapeut kennt er natürlich die Körper seiner Kunden. Wahrscheinlich hat er schon viel gesehen...
Leptosom sein ist eigentlich ganz cool: die Waage zeigt selten mehr an, als sie soll, und die Sehnen und Bänder sind recht flexibel, und Ausdauersport törnt so richtig. Man setzt kein Fleisch an, und das ist der einzige Nachteil. Kaum sinken die Temperaturen unter dreißig Grad, wird dem Leptosomen kalt. Gäbe es keine Heizkörper, müsste ich mir ein warmes Dritteweltland suchen!
Ein leptosomer Mensch hat erstaunlich dünne Knochen - deshalb wirkt er feingliedrig und bewegt sich geschmeidig. Die Ärztin, die meinen Brustkorb geröngt hatte, meinte, sie hätte noch nie eine derart zarte Wirbelsäule gesehen. Huch!
Nachteilig ist, dass der Leptosome nur schwer Fleisch ansetzt. Fett fehlt ihm; er ist schlecht dedämmt. Muskeln wachsen auch eher spärlich und müssen mühsam aufgebaut werden - die Bodybuilder-Szene spricht vom lowgainer. Hohlkreuz, Trichterbrust und Rundrücken sind die beliebtesten Haltungsfehler. Seit einem halben Jahr mache ich diesbezüglich gute Fortschritte, weil die selbst verordnete Gymnastik anschlägt. Etwas mehr Fleisch auf der Brust und ein straffer Bauch sind für mich schon dabei herausgesprungen. Ich sehe nicht mehr aus wie ein krumgeschissenes Fragezeichen und lerne tatsächlich den aufrechten Gang!
|