Fragen einer Kritik des Biokapitalismus
Wolfgang Fritz Haug in Das Argument
Die Dynamik des High-Tech-Kapitalismus schickt sich an, mittels der ‘beiden Leittechnologien, der Biotechnologie und der Informationstechnologie’ (Whitesides 2001), Wirtschaft, Gesellschaft,...
... Kultur und Naturverhältnisse in noch kaum absehbarer Weise zu verwandeln. Wenn der Computer die große Zahl (von Fakten und Operationen) verfügbar macht, realisiert er eine Zeitkompression. Auf andere Weise tut dies die Gentechnologie, indem sie Veränderungen, die in der Natur riesige Zeiträume benötigen, experimentell herstellbar macht. Beide Techniken einer Ökonomie der Zeit erschließen spezifische Realitätsdimensionen, die vorher unzugänglich waren. Die Grenzen dessen, was sicht- und wissbar, erfahrbar ist, sind auch als Funktion von Zeit auszudrücken. Das sehr Langsame und das sehr Schnelle existieren ohne Übersetzungstechniken so wenig für uns wie das sehr Kleine oder das sehr große. Die Technik macht mit uns Sprünge (wir denken: wir machen sie mit ihr) in andere Zeiten und Räume. Mikrosensoren, die partikelgerechte Informationsquanten aufnehmen können; Rechner, die in entsprechender Geschwindigkeit die Informationen speichern, summieren, sonstwie prozessieren können, wirken zusammen, um eine neue Realitätsklasse zu erschließen. Die Biologie hat als ‘neue LeitwissenschaftÂ’, wie es bei Claus Koch heißt, ‘nicht nur die Scheidung zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung aufgehoben, sie ist auch die zugleich kapitalistische wie revolutionäre Wissenschaft par excellence. Die Biotechnologie ist die Basistechnologie des nächsten ökonomischen GroßzyklusÂ’ (zit.n. Enzensberger 2001, 217). Indem der Verwertungsprozess die Grenzen seines Operationsfeldes in die molekulargenetischen Grundlagen des Lebens vorschiebt, wächst der klassischen Einsicht, dass die Menschen im Unterschied zu den Tieren durch ihre Art produktiver Lebensgewinnung nicht nur die äußere Natur, sondern auch ihre innere umgestalten, indem sie ihr eigenes Wesen geschichtlich herausarbeiten, eine unheimliche Bedeutung zu. War es bisher eine überschwängliche Redeweise, dass »der Mensch der Schöpfer seiner selbst« sei, ‘SelfmademanÂ’ (Bloch 1955, 196), so scheint die Expansion kommerzialisierter Technologien ins Mikrobiotische der Organismen diese Phrase kapitalistisch zu konkretisieren. Wird der homo faber, fragt Elisabeth List in Grenzen der Verfügbarkeit1, zum homo fabricatus (138f), während Jürgen Habermas ihn zur programmierten PersonÂ’ (2001, 105) bzw. zur ‘gemachten PersonÂ’ (112) werden sieht. Die folgende Kritik an Lists Versuch, faktische wie normative Grenzen hochtechnologischer »Naturbeherrschung« zu bestimmen, ist eingebettet in eine Auseinandersetzung mit der biotechnologischen Expansion der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer gesellschaftlichen Rezeption. Gefragt wird nach theoretischen Mitteln, die es erlauben, diese Entwicklung zugleich mit den spontanen Denkformen, die sie mit sich bringt, zu analysieren und an den Problemen und Konflikten, die sie ankündigt, Maß zu nehmen. Den Ersten beißen die Hunde, heißt es in der Theorie. So geht es Lists Untersuchung. Sie hat das Verdienst, bestimmte Denkfiguren auf eine Weise herauszusetzen, die Einspruch ermöglicht. Ausgangspunkt ist die gemeinsame Kritik an ökonomischen Determinanten und verbreiteten ideologischen Deutungsmustern des aufsteigenden Biokapitalismus mit seinem ‘neurogenetischen DeterminismusÂ’ (Rose 2000, 9): Kritik des ‘neuen Bio-LogosÂ’, demzufolge ‘alles in den Genen istÂ’ (L 19), des ‘Proteinparadigmas des LebensÂ’, das ‘innerhalb der wissenschaftlichen Institutionen alle anderen Weisen der Wahrnehmung des Lebendigen verdrängtÂ’ hat (L 135). ‘Wir verdanken es nämlich nicht unserer Umwelt, sondern unserer Natur, also unseren GenenÂ’, erklärt in diesem Sinn der Entdecker der Doppelhelixstruktur des Erbguts, James D. Watson, ‘dass wir Menschen und keine Schimpansen sindÂ’ (2000). Als wären die genetischen Abweichungen zwischen menschlichen Individuen nicht fast ebenso groß wie die Differenz zum Schimpansen, der in 1,5% der Gene abweicht und als wären nicht, wie Craig Venter betont, Anzahl und Art der menschlichen Gene weitgehend unspezifisch. -- Gemeinsam ist auch die Kritik an der logozentrischen Tradition der abendländischen Metaphysik, am Diskurs des körperlosen Geistes, an der Leibfeindschaft, generell am modernen Dualismus cartesischer Provenienz2 und seinen von vielen Naturwissenschaftlern und einschlägig befassten Journalisten reproduzierten spontan-philosophischen Versionen. ‘Ist der Mensch nur MaterieÂ’, heißt es in einem Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen, ‘oder ist seine Existenz auch noch in der geistigen Welt verankert, zu der die Wissenschaft keinen Zugang hat, von der sie auch nichts wissen will?Â’ (Dietrich 2001) Materie in Bezug auf »den Menschen« gilt hier ganz unhistorisch als ‘die Summe der in ihm nachweisbaren chemischen, biologischen und physiologischen VorgängeÂ’. Die Trennung der ‘»«für sich» ungeschiedenen EinheitÂ’, heißt es dagegen bei List, importiert ‘der Standpunkt des Beobachters, der darüber entscheidet, ob sich ein und dasselbe Phänomen in seiner Materialität oder in seiner Subjektivität präsentiertÂ’ (L 30).3 -- Gemeinsam ist schließlich der Blick auf die ‘nächste Zukunft, die im Zeichen des Biobusiness zu stehenÂ’ (L 120) sich ankündigt, des ‘blinden Aneignungswillens einer profitgesteuerten TechnikwissenschaftÂ’ (L 16). Das Profitstreben auf diesem Gebiet treibt die Installierung eines komplexen ‘Dispositivs technischer Kontrolle zum Zwecke der Aneignung der Natur als Ressource für Gewerbe, Industrie und HandelÂ’ (L 120) voran, was ‘unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur die Politik einer Elite auf Kosten der Mehrheit der Menschen sein kannÂ’ (L 49). Die Gemeinsamkeiten werden unsicherer, je näher die Beschreibung an die Gefahr heranfährt. Die Klage über ‘die Spirale der Beschleunigung, der Dislozierung des Lebendigen und der Effizienzsteigerung in der Zirkulation von Materie und MaterialÂ’ (L 126) klingt diffus. Warum sollte die Effizienz der Besorgung des Notwendigen nicht gesteigert werden? Zu sagen, ‘der Kommerzialisierung der äußeren NaturÂ’ folge ‘nun die Kommerzialisierung des Lebens, einschließlich unseres eigenenÂ’ (L 138), ist zumindest ungenau, da die Verwertung organischer Natur, lebendiger wie toter, aller «Ökonomie» zugrunde liegt und menschliches Leben in Sklaverei und Menschenhandel -- dessen Ausmaß Â‘alle historischen Erfahrungen der Sklaverei weit überschreitetÂ’ (Dahrendorf 2001) -- verwertet wird. Die Verwirrung wächst mit einer über-allgemeinen und apokalyptischen Rhetorik wie dieser: ‘Die Realpolitik diskursiver Mächte, von der Wissenschaft bis zur Politik [...] hat [...] die Manifestationen des Lebendigen für inexistent erklärt. Das Dispositiv «sachlicher Kontrolle», das die Domänen der Politik, der Technik und Ökonomie heute beherrscht, hat das Leben zur Sache gemacht und dem Lebendigen seine Sprache genommen.Â’ (L 105) In solche Kulturkritik im Namen des Lebens flüchtet sich kritisches Bewusstsein in einer Zeit, der es den Atem konkreter gesellschaftlicher Utopie verschlagen hat und die gespalten ist zwischen fieberhaften Technikutopien und einer ‘Angst vor der die Natur beherrschenden TechnikÂ’, die ‘oft so groß oder sogar noch größer ist als die Angst vor der NaturÂ’ (Jungk 1979, 152).4 Auch haben die Kritiker des biologischen Determinismus es noch kaum fertiggebracht, ‘ein schlüssiges alternatives Rahmenwerk zu schaffen, innerhalb dessen sich Lebensvorgänge interpretieren lassenÂ’ (Rose 2000, 9). Angesichts der Flucht in Kulturkritik ist ein Stück «Dekonstruktion» angesagt, um das Bild «lesen" zu lernen, das List von der ‘sog. dritten industriellen RevolutionÂ’ entwirft, die sich ‘gleichzeitig im Bereich der Informatik und der Biowissenschaften vollziehtÂ’ (L 144). Aktuell ist der tastende Versuch, den Biokapitalismus als Produktionsweise zu denken und diese in ihren Momenten durchzubuchstabieren.
1. Zur Bedeutung der Kritik der politischen Ökonomie
Wenn es bei List heißt, für die Analyse der ‘telematischen KulturÂ’, was immer das ist, würden ‘herkömmliche Konzepte der Gesellschafts- und Kulturkritik zu kurzÂ’ greifen (L 146), so möchte man zustimen. Zweifellos muss z.B. die Kritik der politischen Ökonomie ‘sich auch den technischen sowie den symbolischen Naturverhältnissen zuwendenÂ’ (Görg 1999, 60). Doch statt Weiterentwicklung dieser theoretischen Grundlagen zu betreiben, erteilt List ihnen de facto eine Absage: ‘Die Folgen der digitalen Revolution der Informationstechnologien lassen sich nicht im Vokabular einer Kritik der politischen Ökonomie oder in den Kategorien einer Theorie der Politik und Ethik allein beschreiben oder beurteilen.Â’ (146) Das Wörtchen ‘alleinÂ’ scheint die Aussage absichern zu sollen, doch ist eines an der theoretischen Praxis Lists völlig klar: Die analytischen Denkmittel der Kritik der politischen Ökonomie bleiben ausgeschlossen. Das macht das kritisch intendierte Buch zu einem Modell dafür, was der Kritik des High-Tech-Kapitalismus blüht, wenn sie »aus dem philosophischen Stand heraus«, kulturkritisch, d.h. intuitiv statt sozioanalytisch, geführt wird. Der erste Effekt besteht in der Verwechslung des Dienenden mit dem Herrschenden, hier der Ratio mit der des Kapitals. ‘Schrankenloses AneignungsbegehrenÂ’ der ‘menschlichen RatioÂ’ (L 109) anzuprangern, wirft geistige und ökonomische (kapitalistische) Aneignung von »Natur« in einem Wort und in einer Verurteilung zusammen. List nimmt einzig die ästhetische Aneignung von diesem Pauschalverdikt aus: ‘Die Kunst sagt nein, ohne zu vernichten. [...] Sie sagt nein, ohne sich einer religiös oder philosophisch motivierten Weltflucht anheimzugeben.Â’ (L 195) Aber in Wirklichkeit tut »die Kunst« gar nichts; alle Richtungen und Richtungskämpfe kehren in ihr wieder. -- Indem List die Ratio als solche der Leibverdrängung, also das mitdominierte Dominationsmittel der eigentlichen Herrschaft bezichtigt, verdrängt sie im Zeichen der geforderten Restitution des »verdrängten Leiblichen« den auf dieses Leibliche vielfältig ausgreifenden Kapitalismus. Nur in Resten fristet seine Kritik ein rhetorisches Dasein.5 Ökonomie kommt folgendermaßen ins Spiel: ‘Brauchbares, nützliches Wissen ist für die bürgerliche Gesellschaft, die hauptsächlich von Gewerbetreibenden und Händlern getragen wird, Herstellungswissen.Â’ (L 119) Doch »unterhalb« der überfliegenden philosophisch-anthropologischen Redeweise vom homo faber sucht man die ihr Leben produzierenden Individuen als Gesellschaftsträger vergebens. Und doch soll Herstellungswissen, nicht Verwertungswissen, die problematische herrschende Form sein? Dass dabei die Rolle der kapitalistisch in Dienst genommenen Wissenschaft und der »wissenschaftlichen« Produktionsmittel verschwimmt, lässt sich an Lists Behandlung des Computers beobachten. Sie nähert sich dieser Leitproduktivkraft6 nicht über deren konkreten Einsatz oder die durch sie bedingte partielle Intellektualisierung von Arbeitstätigkeiten an, die unter dem irreführenden Namen ‘immaterielle ArbeitÂ’7 beredet worden ist, sondern landet unmittelbar bei ‘kybernetischer InformationskulturÂ’ mit Kybernetik und IT als den ‘neuen Technologien des GeistesÂ’ (L 110). Der ‘InformationskulturÂ’ schreibt sie zu, ‘auch die Produktion von Wissen nun an die MaschineÂ’ (L 11) bzw. die ‘kognitiven Prozesse [...] gewissermaßen an den Apparat [...] »delegiert«Â‘ (L 145) zu haben. Doch auch das ist nur eine schlecht kulturkritische Redeweise, die sich, wie List an anderer Stelle den Science-Fiction-Mythen eines ‘kybernetischen PlatonismusÂ’ vorgehalten hat, aus einer ‘durch Marketing und Werbung geförderten kollektiven BewusstseinslageÂ’ speist (2000, 777). ‘Vision ist auch Marketing, und natürlich steckt in den Bekundungen der neuen Wissenschaft Werbung und manche Wichtigtuerei.Â’ (Goertzel 2000)8 Aus den Prospekten der Neuen Ökonomie (vgl. Haug 2000b, 635ff) dringen solche Redeweisen in die Protestsprachen ein. Weder denkt die Maschine, noch weiß sie. Wer so redet, verwendet ‘eine Metapher, als sei sie eine Analogie oder HomologieÂ’ (Rose 2000, 86). Vielmehr absolviert das Gerät reflexionslos -- Rückkoppelung ist nicht Reflexion -- Rechenprozesse, was das Denken von ‘einfacheren oder mehr routinemäßigen EntscheidungenÂ’ entlastet(Wiener 1968, 51). Dass vom Standpunkt der ‘weltumfassenden [...] High-Tech-Industrie Formen nichtmenschlicher ExistenzÂ’ profitabler9 zu sein drohen (L 206), ist wieder ein über-allgemeines Gefahrenbild, denn die Ersetzung lebendiger Arbeit durch tote -- bzw. variablen Kapitals durch konstantes -- gehört seit eh und je zum elementaren Repertoire des Kapitalismus. Wenn hier die Vergangenheit als das Neueste erscheint, so umgekehrt gerade der unrealistische Zukunftsroman als Zukunft, dies in Gestalt der von Hans Moravec (1993, 85) ausgesponnenen ‘Möglichkeit, unsere Persönlichkeit von Ort zu Ort zu faxen, [... so] dass wir uns verteilt an verschiedenen Orten gleichzeitig wiederfindenÂ’. Nützlicher wäre eine analytisch differenzierende Betrachtung der Produktivkräfte des Biokapitalismus, der Weise, in der sie ‘verfahren wie die Natur selbstÂ’ (Marx, MEW 23, 57), selbst noch, wenn sie durch Rekombination ein Verfahren in Gang setzen, das so in der Natur nicht vorkommt. Nicht weniger wichtig ist die Frage, wie sich die Produktionsverhältnisse im Zuge der Expansion des hochtechnologischen Biokapitalismus verändern, wie etwa ‘die Frage des Eigentums ganz unvermutet zur Kernfrage des einundzwanzigsten Jahrhunderts gewordenÂ’ ist (Schirrmacher 2000a). Die internationale Durchsetzung des »geistigen Eigentums«- und Patentrechts ist ein wesentliches Moment der Etablierung transnationaler Produktionsverhältnisse. Besitzt man den richtigen Claim (etwa gentechnisches Wissen, das sich zur Krebsbekämpfung verwerten lässt), besitzt man eine Geldquelle; im Unterschied zur alten Ölquelle, die für den Rentier das Einkommen sprudeln ließ, ist nurmehr ein gegen Null strebendes Differenzial von Arbeit zur Förderung nötig. Desto mehr Investition über oftmals lange Zeiträume verlangt die Entwicklung verwertbarer Technologien. Wo einmal öffentlich finanzierte allgemeine Arbeit dominierte, bestimmen die Forschungsabteilungen der transnationalen Konzerne und die vom spekulativen Risikokapital zehrenden Start-ups. Die Markteinführung neuer Technologien fördert die Tendenz zum oligopolistischen Agrobusiness. Auf der einen Seite treten verstärkt Lohnunternehmer und Scheinselbständige auf, während der Kredit die Bauern halb formell den Banken subsumiert. Die Lohnarbeit polarisiert sich derweil weiter in wissenschaftlich- technisches Personal, dessen technische Elite z.T. per Aktien spekulativ an Risiko und Gewinnchancen beteiligt wird, und angelernte prekär Beschäftigte. Arbeitslosigkeit, Deregulation und transnationale Ausweichmöglichkeiten der Konzerne wirken zusammen, die gewerkschaftliche Interessenvertretung auszuhöhlen. In den hochtechnologischen Produktivkräften erhält das Kapital eine geheimnisvolle, dem lebensweltlichen gesunden Menschenverstand unzugängliche Existenzform, eine Art von gespenstiger Geistigkeit, die Jürgen Habermas schon 1963 zu dem -- irrtümlich Marx zugeschriebenen -- Glauben verführte, dass ‘die Wertschöpfung von der unmittelbar produktiven Arbeit auf Wissenschaft und Technologie übergehen wirdÂ’ (194) und ‘aus Produktivitätssteigerung per se Wert entspringtÂ’ (196; vgl. Bahr 1970, 39).
2. Annäherungen an Bio-Hochtechnologien
Biotechnologie definiert List abwechselnd als ‘Selbsteingriff am LebendigenÂ’ (L 16), ‘Technologien des LebendigenÂ’ (L 16), ‘Politik des Lebendigen, des Eingriffs in das LebendigeÂ’ (L 49), ‘technologische Invasion in den KörperÂ’ (L 124). Doch in dieser Allgemeinheit könnte das von aller menschlichen Geschichte ausgesagt werden. Zu untersuchen ist die Weise, in der das biotechnologisch investierte Kapital speziell in der ‘gegenwärtigen Ära der High-Tech-MolekularbiologieÂ’ (Rose 2000, 114) den Arbeitenden, der Natur und den Bedürfnissen der Käufer gegenübertritt und wie es sich in die Geschlechterverhältnisse einklinkt und sie modifiziert. Zu erkunden ist schließlich das Gelände, auf dem die Kämpfe um soziale Gestaltung und politisch-ethische und rechtliche Eingrenzung der Verwertung von Biotechnologien geführt werden. Wenn List von ‘radikalen Eingriffen ins LebendigeÂ’ (L 123) spricht, soll ‘radikalÂ’ andeuten, dass es um Eingriffe geht, die nicht »dem Lebendigen«, wie es zuhanden ist, gelten, sondern ‘in die molekularen Strukturen des LebensÂ’ (L 48) eingreifen. Selbst das ist noch nicht spezifisch genug, um das Neue zu fassen, lässt sich doch so auch die seit über hundert Jahren praktizierte Impfung begreifen, die den Körper zur Bildung von Antikörpern anregt. Die problematischen Kerne, um die sich vieles andere gruppiert, sind einerseits die neuen Reproduktionstechnologien in ihrer Anwendung auf menschliche Fortpflanzung, zum andern die technische Transformierbarkeit biologischer Arten und damit der menschlichen Natur selbst. Generell bestimmt sich Biotechnologie durch den ‘Einsatz biologischer Organismen [...], Systeme oder Prozesse zur Herstellung bestimmter ProdukteÂ’, Gentechnologie dagegen durch ‘gezielte Eingriffe in die Erbsubstanz eines OrganismusÂ’; beide sind verknüpft, wenn etwa genetisch veränderte Mikro-Organismen biotechnologisch zum Einsatz kommen (Pernicka 2001, 10, Fn. 5). Bereits in den 1980er Jahren wurde damit begonnen, transgene Bakterien Humaninsulin herstellen zu lassen. Das Verfahren beruhte darauf, ein Stück menschliches Eiweiß mit den betreffenden Erbinformationen in Bakterien einzuschleusen und dort wirken zu lassen. Ein zweites frühes Beispiel ist die bakterielle Produktion von Bovin-Sematotropin, einem Hormon, das von der Hirnanhangdrüse der Kuh hergestellt wird und das Wachstum steuert und die Milchproduktion steigert. Die Gewinnung des natürlichen BST aus den Drüsen geschlachteter Kühe stellte den Engpass dar. Durch Einschleusung des entsprechenden Gens in Bakterien konnten diese »Naturgrenzen« durchbrochen und das Hormon massenhaft hergestellt werden. Bakterien waren nicht die einzigen Lebensformen, deren Stoffwechsel in genetisch veränderter Form in den menschlich-gesellschaftlichen »Stoffwechsel mit der Natur« eingespannt wurde. Als prospektive ‘BioreaktorenÂ’ rückten die Milchdrüsen von Säugetieren ins Visier der Gentechnologen. Fremde Gene, in die Milchdrüsen eingeschleust, würden dort die Synthese komplexer Proteine bewirken, die sich dann aus der Milch ‘aberntenÂ’ ließen. Mäuse wurden mit dem Beta-Lactalbumin-Gen des Schafs »versetzt«. Näher rücken den Menschen diejenigen Verfahren »auf den Leib«, bei denen es menschliche Erbanlagen sind, die in außermenschlichen Lebensformen wirken. In Japan begann man etwa zur gleichen Zeit, menschliche Wachstumshormon-Gene in Zuchtfische zu übertragen, um schnelleres und größeres Wachstum zu erreichen. Auch ins Genom von Schafen wurden menschliche Gene »eingesetzt«, verbunden mit den genetischen Steuerungselementen eben jenes Beta-Lactalbumin-Gens, um die Schwierigkeit zu umgehen, welche die ‘Expression von Fremdgenen in transgenen NutztierenÂ’ bereitet (Nature, 328/1987, 530). All diese Verfahren schieben nicht Werkzeuge »zwischen Mensch und Natur«, sondern lassen ein Element menschlich-produktiven Stoffwechsels mit der Natur in derselben und durch dieselbe betreiben. Dabei geht es um den Aufbau, manchmal um den Abbau komplexer organischer Verbindungen. Was für die eingespannten Organismen Reproduktion, ist für die menschlichen Anwender Produktion. Sie verläuft selbsttätig, nach innerer Gesetzmäßigkeit des lebenden Produktionsmittels. Wenn Marx das profittragende Kapital mit einem Huhn vergleichen hat, das goldene Eier legt oder einem Baum, der Birnen trägt, so verkörpert sich das Kapital nun direkt in den molekularbiotischen Prozessen. Wo Marx auf Biotechnologien wie Gärungs- und Reifungungsprozesse zu sprechen kommt, rangieren sie unter Prozesstechnologien. Unterm Eindruck der durch Dampfkraft angetriebenen Mechanisierung der Produktion behandelt er sie stiefmütterlich. In seiner Aufzählung der ‘mechanischen, physikalischen, chemischen Eigenschaften der DingeÂ’, die in der Produktion als ‘Machtmittel auf andre DingeÂ’ gerichtet werden (MEW 23, 194), fehlen die biologischen Eigenschaften. ‘Unter den Arbeitsmitteln selbstÂ’, meinte Marx, bieten die mechanischen Arbeitsmittel, deren Gesamtheit man das Knochen- und Muskelsystem der Produktion nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale einer gesellschaftichen Produktionsepoche als solche Arbeitsmittel, die nur zu Behältern des Arbeitsgegenstandes dienen und deren Gesamtheit ganz allgemein als das Gefäßsystem der Produktion bezeichnet werden kann, wie z.B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge usw. Erst in der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle. (195) Im weiten Sinn biotechnische Prozesse wie die Gärung des jungen Weins oder den Keim- und Wachstumsprozess des ausgesäten Weizens streift Marx unter dem Gesichtspunkt streift Marx unter dem Gesichtspunkt, dass hier die ‘Produktionszeit [...] größer als die ArbeitszeitÂ’ ist (MEW 24, 125). Die werttheoretische Reflexion, die Marx hier anschließt, lässt sich auf die neuen Biotechnologien ausdehnen: ‘Die Intervalle in der Arbeitszeit, die der Arbeitsgegenstand während des Produktionsprozesses selbst durchmachen muss, [...] fördern das Produkt, bilden einen Teil in dessen LebenÂ’, sie ‘bilden weder Wert noch MehrwertÂ’, nur die Wertübertragung von den Produktionsmitteln aufs Produkt geht in dieser Zeit weiter. Die quantitative Triebkraft, die den Einsatz solcher Technologien stimuliert, ist zum einen genau die maximale Austreibung der Arbeit aus der unmittelbaren Produktion, zum andern die Verbilligung der Produktionsmittel, während die qualitative in der Erreichung anders nicht erzielbarer Gebrauchswerte besteht. Das Privateigentum am Verfahren begründet ein Monopol, also auch einen Monopolpreis, der weit überm Wert liegt. Hier greifen dann die Mechanismen, die Marx anhand der Bildung des Extraprofits, der Durchschnittsprofitrate und des tendenziellen Falls der Profitrate herausgearbeitet hat. Wenn die Biotechnologien der Neuen Ökonomie zugerechnet werden, so sind sie werttheoretisch bis zu einem gewissen Grad mit der Softwareproduktion und den Internet-Diensten zu vergleichen, die das Abschöpfen anderswo produzierten Werts als die Spitze der ‘WertschöpfungsketteÂ’ erscheinen lassen (vgl. Haug 2000b, 626ff).
3. Anthropomorphisierung des Biotischen und Biologisierung des Humanen
Lists Kritik gilt einem »naturwissenschaftlichen« Objektivismus, der die subjektiv-praktische Perspektivierung verdrängt. So weit, so gut. Wie gelangt man aber ins ‘jenseits des ontologischen Dualismus und des mechanistischen Determinismus des traditionellen wissenschaftlichen WeltbildesÂ’ (L 28)? Um dies zu tun, wäre die Untersuchung auf dem Boden der wirkenden Individuen und ihrer Verhältnisse und Beziehungen in ihrer historischen Gewordenheit und geschichtlichen Dynamik zu führen. Statt solche Konkretheit anzustreben, nimmt List die spekulativen Dienste der ‘philosophia perennisÂ’ in Anspruch (L 19). Das Terrain, auf dem sie ihre Position aufbaut, ist das der philosophischen Anthropologie vor allem Helmut Plessners. Um die Natur aus der Objektform und die menschliche Subjektivität aus der dualistischen Form des Übernatürlichen zu befreien, hat schon Ernst Bloch, im Rückgriff auf romantische Technikphilosophie, nach einem ‘arbeitenden Substrat der NaturÂ’ gefragt (1955, 239) und ein Naturverhältnis anegstrebt, das ‘auch zum unbekannten, in sich selbst noch nicht manifestierten Subjekt der Naturvorgänge vordringtÂ’ (246). ‘Ein Agens der ErscheinungenÂ’, hält er den objektivistischen Naturwissenschaften vor, ‘wird zwar zugegeben, doch nur als ein schlechthin uns unverwandtes, entfremdetes, und als eines ohne Subjekt.Â’ (243) Doch wie einmal der Weg zur Wahrheit durch den Feuerbach geführt hat, so ein Jahrhundert später durch die von Althusser gebündelten Subjektkritiken und Subjektionsanalysen der Psychologie, der Linguistik und vor allem der Ideologie-Theorie. Danach dürfte solche Rückprojektion der humangesellschaftlichen, Herrschaft vermittelten Form des Subjekts auf die Natur nicht mehr ohne weiteres möglich sein. Naturwesen als wirkende zu denken, kann ebenso wenig mehr in Begriffen spekulativer Bewusstseins- und Subjektphilosophie geleistet werden, wie Menschen ‘als ungeteilte Autoren ihrer LebensführungÂ’ (Habermas 2001, 115)10. Doch wie Tucholsky gesagt hat, dass die großen Probleme der Menschheit nicht gelöst, sondern vergessen werden, so scheint es hier in der Theoriegeschichte zuzugehen. Um das Subjekt und seine Freiheit mit einem unmittelbaren Naturfundament und die Natur mit Subjektivität zu versehen, bedient sich List neuer physikalischer und biologischer Denkweisen. Mit Roger Penrose geht sie davon aus, dass sich ‘Lebensprozesse auf der mikrophysikalischen Ebene vollziehen, und zwar nach den (nichtdeterministischen) Gesetzen der QuantentheorieÂ’ (L 27).11 Mehr noch: ‘Individualität und Freiheit [...] ließen sich auf diese Weise materialistisch, aber auf der Basis der Quantenmechanik erklärenÂ’ (L 28). Doch so einfach funktioniert diese Erklärung nicht. Auch wenn ‘die Bewegungsgleichungen einer Quantendynamik [...] nur noch auf Ensemble-Ebene deterministischÂ’ sind (Falkenburg 1994, 39), sind sie doch auf dieser Ebene deterministisch. In Lists philosophisch-anthropologischem Rahmen machen sich in der Berufung auf ‘NichtlokalitätÂ’ und ‘KontrafaktizitätÂ’ (L 28) Physikerworte metaphysisch selbständig, wie immer, wenn man unmittelbar ‘physikalische Aussagen zu philosophischen umdeutetÂ’ (v. Borzeszkowski/Wahsner 1989, 1). Sie werden zur Lizenz, Grenzen spekulativ zu überspringen: Dank der ‘Unbestimmtheit der Phänomene des Materialen auf der Mikroebene der Quantenprozesse verlöre die These von der Irreduzibilität des Subjektiven den Anschein von IrrationalitätÂ’ (L 28). Damit holt sich List ‘BestätigungÂ’ für ihre Grundthese, dass Leben und Leib immer schon ‘Selbst avant la lettreÂ’ (L 92) sind und die ‘Grundstruktur von SubjektivitätÂ’ (L 13) hat und ‘der Geist selbst nichts anderes ist als eine Manifestation des LebendigenÂ’ (L 110). Wenn Subjektivität die Grundstruktur von Leben zumindest teilt, vielleicht auch nur als Hybrid auf Leben gründet, so erscheint es für List umgekehrt. Auch wenn es stimmt, ‘dass die Erfahrung des Lebendigseins für unsere Selbsterfahrung als Subjekte immer im Spiel istÂ’ (L 13), gilt doch nicht der Umkehrschluss, dass Leben Subjekt ist. Diese Sicht projiziert nun das, ‘was man bisher als Privileg menschlicher Lebensform betrachteteÂ’ (L 13), zurück ins gesamte Reich der Biologie. Der Vermenschlichung des Biotischen entspricht die Biologisierung des Menschlichen. Doch dadurch wird beides verfehlt. Wir Menschen sind so nicht beschreibbar. Unser geschichtlich Hervorgebrachtes ist, solange wir den Wörtern unserer Sprache einen Sinn belassen, nichts schlechthin Biotisches. Und selbst wenn man es unkritisiert durchgehen ließe, allem Leben Subjekt und Selbst metonymisch zuzusprechen, bliebe es noch immer ein reduktionistischer Mythos in ältesten ideologischen Geleisen, im mythischen Singular das ‘lebendige Selbst als Schöpfer all dessenÂ’ zu feiern, ‘was die Besonderheiten der menschlichen Lebensform ausmachtÂ’ (L 14). Doch was sind diese ‘Besonderheiten der menschlichen LebensformÂ’? Für List sind es wie für alle Philosophie vor Marx die ‘intellektuellen Privilegien, durch die sich die conditio humana von anderen Lebewesen unterscheidetÂ’, genauer: ‘Symbol- und Vernunftgebrauch, Kreativität und Produktion von KulturÂ’ (ebd.). Dass, wie es zu Beginn der Kritik der Deutschen Ideologie heißt, die Menschen sich selbst von den Tieren zu unterscheiden beginnen, indem sie ihre Lebensmittel produzieren, ist wieder »vergessen«. Offenbar fördert das Starren auf Gentechnologie eine neue Verdrängung des Geschichtlich-Sozialen. Die Rechnung präsentiert sich dieser Denkweise hinterrücks: Wie es Marx bei Feuerbach beobachtet hat, muss die ahistorische und produktionsvergessene Auffassung »des Menschen« nach »Natur« greifen. Und wiederum wie bei Feuerbach ist es das Phantom eines a-sozialen und sogar vorsprachlichen (‘prädiskursivenÂ’) Individuums, das nachträglich mit Gesellschaft konfrontiert ist und die ‘Frage nach den Transformationen, Erweiterungen und BeschränkungenÂ’ aufwirft, ‘die das lebendige Selbst durch seine Einbindung in den sozialen Kontext [...] erfährtÂ’ (L 100). Dieses atomistische Individuum ist der spontan verphilosophierte Repräsentant des Privateigentümers. ‘Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, SozietätÂ’, heißt es dagegen bei Marx (MEW 1, 378). Der Begriff des ‘prädiskursiven12 Körperselbst -- als das »Protosubjekt« gewissermaßenÂ’ (L 72), wäre nur sinnvoll vom Standpunkt der sozialen ‘Welt der MenschenÂ’, in die ein Menschenkind »hineingeboren« wird, um sich in ihr nachgeburtlich zu humanisieren. Daher sind menschliche Individuen, wie Marx wusste, immer gesellschaftliche Individuen. Vergesellschaftung und Individuation bilden keinen äußeren Gegensatz, sondern ihr Verhältnis ist eines der Komplementarität. Außerhalb ‘sozialen KontextesÂ’ ist kein reflexives Für-sich- oder Selbst-Sein denkbar, will man die Begriffe nicht um allen Sinn bringen. Zum ‘Auftreten von Sprache und BewusstseinÂ’ kommt es, List zufolge, ‘auf einer hohen Stufe der biologischen Entwicklung, insbesondere der Entwicklung des Zentralnervensystems -- auf der Basis fortschreitender SozioevolutionÂ’ (L 64). Wieder ist die Produktion, auch die der geschichtlichen Materialität des Menschlichen etc. übersprungen. Statt dessen fordert List, ihrem Ansatz gemäß, den ‘PreisÂ’, einzugestehen, ‘dass sich die intellektuellen Privilegien [...] der Komplexität und der autopoietischen Kraft des Organismus verdanken, die sich dem konkreten situierten Subjekt, wann immer es sie in Anspruch nimmt, der gedanklich-diskursiven Erfassung entziehtÂ’ (L 14). Doch List hält sich nicht an diese Einsicht. Indem sie diesem Sich-Entziehenden spekulativ nachsetzt, überschreitet sie die Grenze rational zugänglicher Erkenntnis. Ce n'est que le premier pas qui coûte. Nach diesem ersten Schritt ist der Weg frei zu immer weiteren spekulativen Lizenzen. Peter Sloterdijk hat im Gespräch mit Craig Venter bemerkt, er sehe eine ‘Religion des LebensÂ’ vordringen, eine neue amerikanische Religion ‘um die Symbole der Fahne und des FötusÂ’, worin Börse und Bioillusion eine Verbindung eingehen. Wie aber selbst der Wille zum Widerstand ins Mythische mutiert, lässt sich an Lists Gebrauch des alten13 Zauberworts ‘LebenÂ’ beobachten. Diese Kategorie ist das Vehikel. ‘Leben ist Materie, die sich bewegt und denktÂ’, zitiert List die Biologen Margulis und Sagan (177), und ergänzt: ‘Leben ist also Materie und Geist in ihrer energetischen Einheit.Â’ (L 47) Das ist die dezisionistische, behauptende Aufhebung des alten Dualismus. ‘KörperÂ’, ‘LeibÂ’, verdoppelnde Ausdrücke wie ‘biophysischÂ’ (L 109) und ‘LeibkörperÂ’ (L 118), dazu die der heideggerschen Seinsvergessenheit nachgebildete ‘Leib-VergessenheitÂ’ (L 120) sind die Beschwörungswörter. Solch magischer Sprachgebrauch verlangt danach, sinnlicher Konkretion unmittelbar teilhaft zu werden, sich linguistische Luft zu verschaffen. Heraus kommen Theoriemythen wie ‘Gaia, der Planet als LebensformÂ’, der unter den ‘Formen des LebendigenÂ’ rangiert, und zwar ‘jenseits des organismischen LebensÂ’ (L 40). Mit James Lovelock (1993, 110) erwägt List die ‘ungewöhnlicheÂ’ ‘Idee, dass die Biosphäre insgesamt, die Kruste des Planeten und die über ihr liegende Atmosphäre -- also eine etwa 20 km dicke, den Planeten umgebende Schicht -- als Ganzes ein Lebewesen darstelltÂ’ (L 42). Demnach lässt die Erdgeschichte ‘sich keineswegs als eine milliardenlange Sequenz von Zufällen deutenÂ’ (L 43), sondern nun kehrt mit der Natursubjekthaftigkeit die Teleologie zurück. ‘Es handelt sichÂ’, sagt List (L 42) wiederum mit Margulis und Sagan (1997, 47), ‘um die Autopoiese einer Zelle im GroßformatÂ’. Eine umfassende Theorie des Lebendigen à la Margulis offeriert überdies ‘den Trost, dass mit diesem individuellen Tod »nicht alles aus« ist, sondern dass die Materialität des Körpers als Vitalsubstanz einem elementaren Kreislauf mikrobiellen Lebens zurückgegeben wird. Der Glaube mancher Religionen, dass der Tod Teil eines umfassenden Lebens ist, erhält hier unvermutet eine wissenschaftlichen BestätigungÂ’ (L 46). Für menschliche Individuen ist es ein schwacher Trost. Was weiterlebt, ist allenfalls die Gattung. ‘Der TodÂ’, notiert der von Feuerbach begeisterte junge Marx, ‘erscheint als ein harter Sieg der Gattung über das bestimmte Individuum und ihrer Einheit zu widersprechen; aber das bestimmte Individuum ist nur ein bestimmtes Gattungswesen, als solches sterblichÂ’ (MEW 40, 539). In den Feuerbach-Thesen realisiert er ein Jahr später, dass in der Gattung das Humanspezifische verfehlt wird. Mit der geschichtlichen Materialität tauchen Endlichkeit und Einmaligkeit des Individuums auf. Die Psychoanalyse wird das Drama erforschen, das gerade darin besteht, dass menschliche Individuen ‘für sich in Einsamkeit und gegen den Tod einen langen Gewaltmarsch auf sich zu nehmen haben, auf dem aus säugetierartigen Larven Menschenkinder, männliche oder weibliche Subjekte, werdenÂ’ (Althusser 1976, 21). Unbehaglich wird es List bei Margulis & Sagan erst, wo diese den begeisterten Ausblick auf genmanipulierte und mit technischen Systemen gekoppelten ‘Nachfahren der MenschenÂ’ oder ‘Ex-MenschenÂ’ anschließen (1997, 177f). Die neuen Bio- und anderen Hochtechnologien erscheinen hier als schlichte ‘Fortschreibung der Geschichte des Lebendigen und der Evolution, und nicht, wie es in einer einseitigen globalen Technikkritik geschieht, als dem Leben fremde und entgegengesetzte KräfteÂ’ (L 48). Noch scheint es, als neige List dieser Metakritik und Apotheose spekulativ losgelassener Technik zu. Doch nun belastet sie das zuvor durch Naturalisierung untergrabene Fundament der Humanspezifik, um ihre praktischen Orientierungen zu stützen. Konsistent erscheint das insofern, als sie dabei die Natur als Gewährmacht des Menschlichen anruft.
4. Zur Praxisperspektive der Kritik
Mit welchen Auseinandersetzungen ist zu rechnen? Was werden die wichtigsten Konfliktlinien sein, und welche Parteiungen werden sich an ihnen bilden? Lists Antwort kommt in der paradoxen Form daher, zugleich Vorhersage und Rückblick zu sein: ‘Es wirdÂ’, schreibt sie, längst nicht mehr um die Konflikte zwischen Lohnarbeit und Kapital gehen, die Marx für das späte 19. Jahrhundert diagnostizierte, und auch nicht um die nachhaltige ökologische Neubewirtschaftung der planetarischen Umwelt. Was zur Disposition stehen wird, ist längst schon etwas anderes: unsere derzeitige psycho-physiologische Existenzform, also das, was einmal »menschliche Natur« hieß. (L 206) -- Wir werden uns nicht dabei aufhalten, dass Marx das ‘späte 19. JahrhundertÂ’ nicht mehr erlebt hat. Dass aber die von ihm analysierten Antagonismen wie auch der Raubbau an Erde und Arbeiter mitsamt dem Aufbegehren dagegen der Vergangenheit angehören sollen, ist nur als ideologischer Reflex der Lage in den »postindustriellen« Profitzonen des Weltkapitalismus zu verstehen. In verwandelten und globalisierten Formen, zu denen auch die Bewegung der Globalisierungskritik gehört und die dem Nord-Süd-Konflikt etwas von ihrer Dynamik mitteilen, wie dieser ihnen, gehen diese Auseinandersetzungen weiter, die soziale wie die ökologische sogar im Zeichen wachsender Katastrophen. Zweifellos werden aber die von List einzig gesehenen Auseinandersetzungen um die Grenzen des Biokapitalismus eine große Rolle spielen und sich mit den anderen überlagern. Desto wichtiger ist die Klärung der Argumente. Wie also begründen sich Kritik und Widerstand? Bei List finden sich zwei Argumentationsweisen, eine pragmatisch abwägende und eine ursprungsmythische. Die erste geht davon aus, dass ‘die möglicherweise kumulativen Effekte von fortgesetzten Eingriffen in die molekularen Strukturen des LebensÂ’ nicht voraussehbar sind (L 48). Solange es keine solide Folgenabschätzung gibt, muss der Einsatz einer Technologie politisch verhindert werden. Doch wie sind die Grenzen der Folgenabschätzung zu begreifen? Der frankfurter Hirnforscher Wolf Singer, der wie List über die Entstehung des Bewusstseins und den Tier-Mensch-Unterschied nachdenkt, ohne ein Wort über die humanspezifischen Bewandtnisse der Produktionskultur und Geschichtlichkeit zu verlieren, weist die Idee kategorischer Unerkennbarkeit zugunsten der Feststellung von Unkenntnis zurück. List orientiert dagegen auf Anerkennung prinzipieller ‘Unberechenbarkeit des LebensÂ’ (L 168). Vom Standpunkt der menschlichen Lebensform [...] erweist sich dieser Zusammenhang in seiner Komplexität als nicht berechenbar. Daraus folgt, dass es so etwas wie einen politischen oder ökonomischen »Kalkül«, der diesen Namen wirklich verdient, in Bezug auf Natur nicht geben kann. (L 169) In Bezug auf die Natur als ganze kann es sie in der Tat nicht geben. In Bezug auf bestimmte naturale Wirkungszusammenhänge aber hat es solche Kalküle immer gegeben; es gibt sie auch jetzt und wird sie weiterhin geben. Was soll es heißen, dass sie »ihren Namen nicht wirklich verdienen«?. Mit diesem präskriptiven Universalienrealismus schnappt die onto-theologische Subjektfalle zu. Hinterm Großen Leben tritt die Größere Natur hervor: ‘Natur ist, was uns Leben (sic!) lässtÂ’ (L 163). Und gleich noch einmal, in anderer Schreibung und Bedeutung: ‘Natur ist, was uns leben lässt, was uns leben macht. Und dass sie uns leben lässt, bedeutet zugleich, dass uns der Lebenszusammenhang [...] zwar nicht verfügbar ist, uns aber dennoch trägt.Â’ (L 169) Das wäre, ohne theo-ontologische Überhöhung »der Natur«, nicht falsch, überspringt aber die Bedingungen und Effekte des humanspezifischen gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur vermittels erkenntnisgeleiteter Arbeit und zunehmend wissenschaftlich produzierter Produktionsmittel. Im Sprung über die historische Materialität der menschlichen Wirklichkeit hebt List ab ins Normative und fordert ‘das Anerkenntnis dieser Grenze als unaufhebbare Schranke menschlicher Souveränität, und damit eine spirituell-religiöse DimensionÂ’ (L 170). Hier neigt List zu Fritjof Capra (L 171). -- ‘Wir tun also gut daranÂ’, endet sie, ‘der Trägheit, der Widerständigkeit unseres Körpers zu vertrauen. In ihrer schicksalhaftigen Beliebigkeit und Opazität sorgt sie dafür, dass wir bleiben, wie wir sind.Â’ (L 207) Muss man anfügen, dass dieser Wunsch, zu ‘bleiben, wie wir sindÂ’, nicht in Erfüllung gehen kann, daher handlungsunfähig und unglücklich machen muss? Nichts entgeht dem Werden und Vergehen. Was wichtiger ist: Wir Menschen werden unsere zweideutige prometheische Herkunft nicht los. Durch unser tätiges Dasein haben wir unsere Naturumgebung wie unsere eigene Natur immer schon verändert und verändern sie weiter. Die Zeit der traditionellen Vergesellschaftung aber, in der Grenzen durch göttliche Offenbarung ohne Diskussion verbindlich gesetzt schienen, ist unwiderruflich vorbei. Wer darauf besteht, ‘dass mit der Verschmelzung von Samen- und Eizelle das im strengen Sinn menschliche Leben beginntÂ’ (Höffe 2001), weil ‘MenschenwesenÂ’, wie Gerold Prauss gegen Hubert Markl14 hält, ‘von innen her gegeben [ist] durch die Organisationsform jener ganz spezifischen Zahl von Chromosomen, die das Artspezifische des Menschseins bildetÂ’ (2001), oder sogar wie der Papst die befruchtete menschliche Eizelle zur ‘PersonÂ’ fetischisiert, wird mit Christian Geyer darüber klagen, dass jeglicher Fundamentalismus sich der Logik ‘des Runden Tisches, der alles zur Verhandlungssache machtÂ’, fügen muss. Aus der von List beschworenen Tatsache, ‘dass wir nicht allmächtige Ingenieure eines »Naturmanagements«, sondern selbst Teil der Natur sindÂ’ (L 171), lässt sich ebensowenig eine prinzipielle Grenze unserer Naturverhältnisse ableiten, wie daraus, dass unser Handeln zumindest in seinen bewussten und verfügbaren Optionen ‘Selbsttransformation unter der Bedingung der FreiheitÂ’ (L 48) darstellt. Im Gegenteil: Diese ‘Bedingung der FreiheitÂ’ -- die keineswegs, wie List meint, ein ontologisch Gegebenes ist, sondern ‘ihre geschichtliche SpurÂ’ trägt, wie es bei Marx im Blick auf die Freiheit des Lohnarbeiters heißt (MEW 23, 183) -- zu konkretisieren und auszuweiten, müssen wir die Gestaltung der Welt und unserer selbst zum Politikum machen. Dann stellt sich vorgängig die Frage nach den Grenzen des Kapitalismus bzw. der Verfügung des Kapitals über menschliche und natürliche Ressourcen. ‘Eine Kritik der politischen Ökonomie der InformationsgesellschaftÂ’, endet ein Argument-Beitrag Elisabeth Lists, ‘wird also fragen müssen, wem die Mythen des Cyberspace nützlich sein könnten und wem daran gelegen sein kann, durch die Rhetorik der Abenteuer der Virtualität von der Möglichkeit und Notwendigkeit konkreten Handelns abzulenkenÂ’ (2000, 784). Mutatis mutandis gilt das erst recht vom Biokapitalismus und seinen Mythen. Doch es gilt ebenso von der Versuchung einer Kritik mit umgekehrten Mythen. Kritik des Biokapitalismus kann nicht Absage an Biotechnologien bedeuten, auch nicht an gentechnologische, wohl aber an jegliche Tendenz, Technik ‘zu einer zentralisierten, menschliche Abhängigkeit begründenden Technik zu machenÂ’ (Jungk 1979, 161). Das Rationale an irrationalen Protesten gründet in der Tatsache, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Verhältnisse der Gesellschaften auf dem Globus keineswegs allgemein akzeptablen Vernunftkriterien, sondern zunächst und vor allem der Rationalität der Herrschaft und Ausbeutung unterworfen sind. Mit jeder neuen Technologie, die weitere Naturkraft ihrem Besitzer verleiht, nimmt auch die Notwendigkeit zu, den Rahmen, in dem Techniken im Verwertungsprozess zum Einsatz kommen, mit sozialen und ökologischen Regulierungen zu versehen. Die Macht, die die Kontrolle über Naturprozesse verleiht, wächst zunächst den Herrschenden zu. Mehr noch: Im Kapitalismus ist selbst die Macht der aufsteigenden Klasse der transnationalen Kapitalmanager nur abgezweigt vom Gesamtprozess. Im Zeichen der Globalisierung ist dessen Ort der Weltmarkt, und dieser hat viele koalierte und konkurrierende Subjekte, doch kein Subjekt als Ganzes. Der Profitmechanismus, seine systemische Art von »Intelligenz«, die in der Sicht der Neoliberalen jeder menschlichen überlegen ist, treibt in unzähligen Suchbewegungen die Kapitalmacht in die tatsächlich oder virtuell gewinnträchtigen Anlagesphären, dynamisiert die dortigen gesellschaftlichen Naturverhältnisse und lässt nichts unversucht, blockierende politische und soziale Verhältnisse aufzulösen oder zu umgehen. Dies ist, was jede technische Chance zur Drohung werden lässt. ‘Marxismus der Technik, wenn er einmal durchdacht sein wirdÂ’, heißt es vor der großen Enttäuschung am Staatssozialismus des 20. Jahrhunderts bei Ernst Bloch, ‘ist keine Philanthropie für misshandelte Metalle, wohl aber das Ende der naiven Übertragung des Ausbeuter- und Tierbändigerstandpunktes auf die Natur.Â’ (1955, 269) Biotechnologien sind zutiefst ambivalent. Sie bergen den monstruösen Schrecken der Biowaffen15, doch sie bergen auch die Möglichkeit, vom Paradigma der ‘NaturbeherrschungÂ’, bei dem die Technik ‘in der Natur wie eine Besatzungsarmee in FeindeslandÂ’ steht (270), zum Paradigma der ‘AllianztechnikÂ’ als einer ‘mit der Mitproduktivität der Natur vermitteltenÂ’ überzugehen, bei der ‘die Bildekräfte einer gefrorenen Natur erneut freigesetztÂ’ werden (264, vgl. 259ff) und die, mit einer Formel von Kant, ‘die Natur als durch eigenes Vermögen technisch [zu] denkenÂ’ vermag (Kritik der Urteilskraft, zit.n. Bloch 1955, 244). Organismische Techniken entsprechen automatisierter mechanischer oder chemischer Produktion und übertreffen sie zugleich. Während bei der Automation die »Selbstorganisation« äußerlich zusammengesetztes Konstrukt bleibt, wird bei der Biotechnologie die Selbstorganisationsfähigkeit des Organismus genutzt. Wenn es gelingt, Nutzpflanzen gentechnisch mit Abwehrkräften gegen Viren oder Insekten auszurüsten, entfällt mit einem Schlag ein vielfältiger Apparat chemisch-industrieller Produktion von Giften und deren Ausbringung auf dem Feld mit der Gefahr, den Boden zu vergiften. Wer aber je die Not der »ägyptischen Plagen« in der Landwirtschaft in Gestalt von Krankheiten und Insektenbefall mitbekommen hat, die ganze Ernten gefährden, wird die Macht des Gebrauchswertversprechens nachempfinden, das die neuen Biotechnologien aussenden- Probleme des Gebrauchswertes als unabgeschätze Risiken?. Vorausgesetzt, der gesellschaftliche Anwendungsrahmen wäre durch gemeinnützige Kriterien statt durch Partikularinteressen bestimmt, ließe sich mit Ernst Bloch sagen: ‘Technik als Entbindung und Vermittlung der im Schoß der Natur schlummernden Schöpfungen, das gehört zum Konkretesten an konkreter Utopie.Â’ (Bloch, PH, 2, 269) Ihr Ziel ist ein wirklicher Einbau der Menschen (sobald sie mit sich sozial vermittelt worden sind) in die Natur (sobald die Technik mit der Natur vermittelt worden ist). Verwandlung und Selbstverwandlung der Dinge zu Gütern, natura naturans und supernaturans statt natura dominata (273). Doch wir sind eben nicht miteinander ‘sozial vermitteltÂ’. Dies macht die Grenze einer wahrhaft menschendienlichen Verfügbarkeit aus. Je mächtiger die Produktivkräfte sind, desto gefährlicher und unverantwortbarer werden Politiken der Privatisierung und Deregulierung. Die »Intelligenz des Marktes« ist ohne Gewissen. Die moralisch und religiös argumentierten Versuche, bei der Nutzung embryonaler Stammzellen dem Markt wie beim Handel mit Rauschgift oder Kinderpornographie oder Waffen Grenzen zu ziehen, werden so lange am Weltmarkt scheitern, so lange es keinen weltweit gemeinnützig operierenden Sektor gibt, der Entwicklung, Implantation und gerechte Verteilung neuer Technologien kontrolliert. Der berechtigte Kampf darum, unter Berufung auf das Prinzip Verantwortung ‘Eingriffe zu verhindern, deren Folgen jenseits des Kalkulierbaren liegenÂ’ (List, 49), ist apriori verloren, bettet er sich nicht ein in den Kampf um Sozialisierung (nicht Verstaatlichung) der Technikkontrolle oder hier etwas eindringlicher. Die Konstellation, in der die Geburt des Biokapitalismus vor sich geht, hat Hans Magnus Enzensberger auf den Begriff gebracht16: Die mit der Industrie verschmolzene Wissenschaft tritt als höhere Gewalt auf, die über die Zukunft der Gesellschaft verfügt. Sie ist dabei, eine dritte Natur zu erzeugen, ein Vorgehen, das im Wesentlichen wie ein Naturprozess abläuft, mit dem Unterschied, dass der nötige Energieeinsatz nicht aus der Umwelt, sondern aus dem entfesselten Kapital stammt. (2001, 220) Verbietet sich eine kapitalistische Gesellschaft ihre soziale Umgestaltung, tabuisiert sie Kapitalismuskritik und konkrete Utopie, wird irrationale Technikfeindschaft an deren Stelle treten. So könnte Enzensbergers Albtraum wahr werden, ‘dass gewisse Forschungen dann nur noch in Hochsicherheitstrakten möglich sind und dass es eine beträchtliche Anzahl von Wissenschaftlern geben wird, die, in bewaffnete Festungen eingeigelt, um ihr Leben fürchten müssenÂ’, während sie, im Dienste der zahlungsfähigen Nachfrage, an der ‘UmzüchtungÂ’ vielleicht nicht der Spezies, wohl aber der herrschenden Klassen arbeiten. #u#Literatur Althusser, Louis, 1976: Freud und Lacan, aus d. Frz. v. Hans-Henning Ritter u. Herbert Nagel, Berlin/W Bahr, Hans-Dieter, 1970: Kritik der ‘Politischen TechnologieÂ’, Frankfurt/M/Wien Bloch, Ernst, 1955: Das Prinzip Hoffnung, 2. Bd., Berlin/DDR v. Borzeszkowski, Horst-Heino, und Renate Wahsner, 1989: Physikalischer Dualismus und dialektischer Widerspruch. Studien zum dialektischen Bewegungsbegriff, Darmstadt Chargaff, Erwin, 2001: ‘Mein elfter SeptemberÂ’, FAZ, 26.11., 41 Dahrendorf, Rald, 2001: ‘Recht und OrdnungÂ’, FAZ, 21.11., 10 Dietrich, Stefan, 2001:Â’Die Würde des Menschen ist antastbarÂ’, FAZ, 24.3., 1 Enzensberger, Hans Magnus, 2001: ‘Putschisten im Labor. Über die neueste Revolution in den WissenschaftenÂ’, in: Der Spiegel, Nr. 23, 216-22 Falkenburg, Brigitte, 1994: Teilchenmetaphysik: Zur Realitätsauffassung in Wissenschaftsphilosophie und Mikrophysik, Mannheim-Leipzig Geyer, Christian, 2001: ‘Ab durch die MitteÂ’, FAZ, 5.3. Görg, Christoph, 1999: Gesellschaftliche Naturverhältnisse, Münster Goertzel, Ben, 2000: ‘Valentin TurchinÂ’, in: FAZ, 10.8., 47 Habermas, Jürgen, 1963: Theorie und Praxis, Neuwied-Berlin/W ders., 2001: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik? Frankfurt/M Haug, Wolfgang Fritz, 1991: Jean-Paul Sartre und die Konstruktion des Absurden. Zum Problem der Einheit im Dualismus von ‘Das Sein und das NichtsÂ’ (1966), 3., veränderte Aufl., Berlin-Hamburg ders., 1984: ‘Die Camera obscura des BewusstseinsÂ’, in: PIT, 9-95 ders., 1996: Philosophieren mit Brecht und Gramsci, Hamburg ders., 2000a: ‘»General intellect« und MassenintellektualitätÂ’, in: Das Argument 235, 42. Jg., H. 2, 183-203 ders., 2000b: ‘Prolegomena zu einer Kritik der Neuen ÖkonomieÂ’, in: Das Argument 238, 42. Jg., 2000, H. 5/6, 619-645 ders., 2001: ‘Die Produktionsweise denkenÂ’, in: H.-J.Bieling u.a. (Hg.), Flexibler Kapitalismus, Hamburg, 36-53 Höffe, Otfried, 2001: ‘Rechtspflichten vor TugendpflichtenÂ’, FAZ, 31.3., 11 Jungk, Robert, 1979: ‘Sicherheit als Wert in Technik und GesellschaftÂ’, in: G.Ropohl (Hg.), Maßstäbe der Technikbewertung, Düsseldorf, 151-62 List, Elisabeth, 2000: ‘Floating Identities, Terminal BodiesÂ’, in: Das Argument 238, 42. Jg.,H. 5/6, 777-84 Lovelock, James, 1993: Das Gaja-Prinzip. Die Biographie unseres Planeten, Frankfurt/M Lukács, Georg, 1962: Zerstörung der Vernunft, Werke, Bd. 9, Neuwied-Berlin/W Margulis, Lynn, und Dorion Sagan, 1997: Leben. Vom Usprung zur Vielfalt, Heidelberg-Berlin-Oxford Markl, Hubert, 2001: ‘Eine Raupe ist noch lange kein SchmetterlingÂ’, FAZ, 27.11., 49 Moravec, Hans, 1993: ‘Geist ohne Körper. Visionen von der reinen IntelligenzÂ’, in: G.Kaiser u.a. (Hg.), Kultur und Technik im Jahrhundert, Frankfurt/M-New York Penrose, Roger, 1995: Schatten des Geistes. 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Plessner nennt das den ‘DoppelaspektÂ’ (GS 4, 184). 4 Jungk sah die Berechtigung dieser Angst darin, dass ‘Naturkatastrophen [...] reversibelÂ’ sind (1979, 152). 5 So etwa, wenn List, an Künstler gewendet, erklärt, sie hätten sich zwischen dem ‘Körper von dir und mirÂ’ und der cartesischen Körpermaschine zu entscheiden, eine Wahl, die ‘eine politische, vor allem auch eine politökonomische istÂ’ (205f). 6 Der Status des Computers als epochaler Leitproduktivkraft zeigt sich auch im Verhältnis zur Gentechnologie: Ohne Computer wäre es unmöglich gewesen, ‘in akzeptabler Zeit die Informationen zu erlangen, die man haben wollte. Jetzt erst können wir bestimmte Sequenzierungen vornehmen. Das Werkzeug selbst hat die Wissenschaft verändert.Â’ (Whitesides 2001) 7 Zur Kritik vgl. Haug 2000a. 8 Eine Art Wunderglaube oder zumindest Wunderdoktordiskurs macht sich geltend in Bezug auf Biotechnologien: ‘Ihr Ziel ist es, riesige Raffinerien in der Größe eines Zuckerwürfels zu bauen oder eine Software, die zur Standardmatrix des menschlichen Erbguts wird.Â’ (Schirrmacher 2000b) 9 ‘Die gedankenlose Begeisterung für die neuen Technologien der Entkörperlichung arbeitet solchen Tendenzen zu, und damit einem Zukunftsszenario, in dem der gewöhnliche leibhaftige Mensch eine antiquierte Randerscheinung sein wird, und außerdem in seiner Massenhaftigkeit unfinanzierbar.Â’ (206) 10 Im Ton der Tatsächlichkeit formuliert Jürgen Habermas weiterhin die kontrafaktische regulative Idee ‘reziprok-symmetrischer Anerkennungsverhältnisse einer moralischen und rechtlichen Gemeinschaft von freien und gleichen PersonenÂ’ (2001, 112). In dieser Perspektive attestiert Habermas auch dem Embryo eine ‘gleichsam subjektive NaturÂ’ (89). 11 Die dialektischen Inspirationen, die etwa Gramsci und Brecht aus der Quantenmechanik und der heisenbergschen Unschärferelation durch Verknüpfung mit den marxschen Feuerbach-Thesen gezogen haben, zeigen, dass eine historisch-materialistische Philosophie der Praxis hier unentbehrliche Anhaltspunkte gewinnen kann, um gesellschaftliche Naturverhältnisse zu denken (vgl. dazu Haug 1996, 53f). 12 ‘Das Prädiskursive ist nicht nur emotional-affektiv gelebte Leiblichkeit, sondern besteht aus allen vor- oder nichtsprachlich gelebten Formen des Sich-Situierens im Kosmos der Erfahrung.Â’ (103) Wie man prädiskursiv einen Kosmos der Erfahrungen haben kann, ist Lists Geheimnis. 13 Immerhin konnte Georg Lukács die Lebensphilosophie bei der Zerstörung der Vernunft auf dem Weg in den Faschismus verfolgen. 14 Markl: ‘Der Grund, warum es uns schwerfällt, einer noch so menschlich-lebenden (?) befruchteten Eizelle oder einer Blastozyste mit ein paar hundert oder tausend Zellen den Begriff »Mensch« zuzuordnen, liegt ja nicht zum geringsten darin, dass wir einem Organismus mit einem noch so kompletten Gensatz des Homo sapiens schwerlich als unseresgleichen erkennen, ehe er nicht wenigstens ansatzweise ein lebendiges Zentralnervensystem besitztÂ’. Angesichts der ‘unbezweifelbaren Tatsache unseres denkenden GeistesÂ’ erscheint es Markl ‘kaum möglich, diese Leib-Seele-Unterscheidung nicht als eine geradezu zwingende Wahrheit über uns selbst zu erkennenÂ’. Auch hier also wird ‘GeistÂ’ ohne Sprache, gesellschaftliche Arbeit, Werkzeugherstellung, Geschichte vorgestellt. Dass ein Säugling in eine Menschenwelt hineingeboren wird, erscheint diesem Naturwissenschaftler so selbstverständlich, dass ihm die sekundäre Hominisation entgeht, in der sich erst ein Menschenkind verwirklicht. 15 So im Falle der Anthrax-Sporen, die in den Labors des Kalten Krieges gezüchtet worden sind. In den USA haben die amtlichen Warnungen vor Bioterrorismus, wie der greise Biochemiker Erwin Chargaff bemerkt hat, ‘viel dazu beigetragen, eine verstörte Öffentlichkeit zu erzeugen, wie sie nach meiner Erinnerung selbst im Zweiten Weltkrieg nicht existierteÂ’. 16 Bei Enzensberger kreuzen sich mehrere einander der Sache nach ausschließende Diskurse. Während er hier den Mechanismus, aus dem die Dynamik des Biokapitalismus resultiert, einigermaßen treffend umreißt, verwandelt er dieses bewusstlose Resultat an anderer Stelle in ein bewusstes ‘Projekt: die Umzüchtung der SpeziesÂ’ (2001, 221), die er der Gentechnologie als solcher unterstellt. Hinterm Löwenkopf der starken Eingangsworte kommt ein Ziegenleib des Defaitismus zum Vorschein. Nichts und niemand wird ‘den Prozess aufhalten oder gar rückgängig machenÂ’. ‘Noch nie hat sich die Menschheit freiwillig von ihren Allmachtsphantasien verabschiedet.Â’ Der Kapitalprofit ist ersetzt durch die Phantasien der Menschheit. Zum Schluss ruft Enzensberger nicht zum Widerstand, sondern malt ihn als Drohung an die Wand. Wiener, Norbert, 1968: Kybernetik, Hamburg
23.03.2002
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