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Schmidt schrieb am 29.5. 2013 um 13:33:58 Uhr über

abgeleckt

Ich lief meine normalen Wege. Da tropfte ein kleines Stimmchen vom Rasenrand eines Mehrfamilienhauses an mein Ohr, »Verzeihung, könnten Sie mal kucken«. Ich drehte den Kopf und dachte erst die zwei kleinen etwas zerlumpt aussehenden Stöppkes wollten mich um fuffzig Cent anbetteln, doch »da unten ist ein toter Vogel«, »und da im Gebüsch ist ein Nest mit Jungen«, »und wenn der tote Vogel die Mutter ist«, ich blieb stehen. Ja, das ist schwierig sagte ich, die Kinder wird man schwer retten können. Stille auf Seite der Buben. Ich lief die kleine Rasenböschung hinunter zu dem toten Vogel. Eine tote Amsel, fast nur noch Gefieder. Ich, fast erleichtert, »das ist auf keinen Fall die Mutter, denn die Jungen leben ja noch. Der Vogel hier ist schon mehrere Tage tot. Die Mutter ist also lebendig. Kommt dem Nest am besten nicht zu nahe, sonst traut sich die Mutter vielleicht nicht mehr zu ihren Jungen hinein. Einmal am Tag dürft ihr reingucken. Aber nichts anfassen

Ich machte mich schon ans Weggehen. Dann erinnerte ich mich, wie sehr ich mich als kleiner Junge einmal vor toten Tierknochen gefürchtet hatte und die Stelle an der sie lagen weitläufig gemieden habe. Ich sagte, ich bring den toten Vogel noch weg. Sie kuckten ungläugig. »Das ist doch Gift wenn man das anfasst«. »Naja, ich fasse nur hier an der Flügelfeder an, das ist nicht schlimm«. Ich lief ein paar Schritte zum nahegelegenen Bahndamm der hochgewachsenes Dornengestrüpp hatte und warf das Stückchen Vogel hinein.

Dann ging ich.
Doch ich kam nicht weit. Keine zwanzig Meter später hörte ich, nun eine schon etwas zutraulich gewordenere Stimme, könnten sie nochmal kucken, »da liegt eine Ratte im Hof, können Sie die auch wegmachen«. Das Gebäude hatte einen großen gepflasterten Hof, Parkplätze. Die Ratte war platt wie eine Flunder, voller Fliegen. Mit dem Schuh löste ich sie von der Stelle, etwas feucht war sie wohl noch. Unter den Augen der beiden packte ich das Vieh mit spitzen Fingern am Schwanz und lief damit ebenfalls die zehn Meter zum Bahndamm um sie im hohen Bogen wegzuwerfen.

Das war sowieso die Richtung in die ich zu gehen hatte, und so ging ich weiter.
Auf dem Nachhauseweg habe ich mir überlegt, ich hätte den Buben sagen können, als erstes wenn ich nach Hause komme, wasche ich mir die Hände mit Seife.


Aber so eine kleine schwarze Flügelspitze und das winzige Ende eines Rattenschwanzes, die haben nun wirklich wenig Leichengift. Hätte man mir hundert Euro geboten, ich hätte meine Finger gar abgeleckt nach einmal gründlich Abwischen am Hosenbein.


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