»Die meisten meiner alkoholabhängigen Patienten«,
so sprach die Frau Doktor, "sind um ihr sechzigstes
Lebensjahr herum gestorben, und nur die wenigsten
an Leberzirrhose, eher waren es Herzerkrankungen
und zum Teil seltenere Krebsarten wie zum Beispiel
Magen- oder Mundbodenkrebs (viele Alkoholkranke
sind ja auch starke Raucher)", ergänzte sie mit dem
rehbraunen Seitenblick auf mich. Ich nickte einfach
nur lammfromm und verkniff mir die Frage, ob rund
zehn Jahre verminderter Lebenserwartung nicht ein
angemessener Preis für ein Leben sind, das um so
vieles reicher an Freudenversprechen ist, als es ein
Vegetieren in Temperenz je einzulösen in der Lage
sein könnte. Die einzige Chance, solch ein Leben -
wollte man es so nennen - erträglich zu gestalten,
kann in dem Bemühen liegen, die Grausamkeit des
Verzichts durch einen halb mönchischen und halb
protestantischen Masochismus zu kultivieren und
mich voller Ingrimm der Mäßigung zu unterwerfen,
einem Text gleich, den man in eine Spalte zwängt.
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