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Baumhaus schrieb am 4.7. 2009 um 22:00:41 Uhr über

Seelenklistier

S. sagt, wenn ich nicht mal rausgehe, lerne ich auch keine neuen Menschen und somit auch keine Frau kennen. Rausgehen heißt für mich: Überwindung. Nein, nicht, daß ich irgendwelche Probleme damit hätte, zu kommunizieren. Ich habe nur Probleme damit, rauszugehen. Schwer zu erklären. Es ist nicht das Rausgegangen-Sein, das schmerzt, sondern der Akt des Rausgehens. So, wie der Akt des Beginnens immer wieder schmerzhaft ist und mit ungeheuer viel Kraft kostet. Vergleichbar wohl mit dem aus der Physik entlehnten Begriff der Trägheit: Jede Zustandsänderung bedeutet Kraftaufwand. Was mache ich jetzt? Es ist Samstag, der Abend beginnt so langsam. Ich habe - abgesehen von einigen kleineren Sachen - nicht sonderlich viel zutun, zumindest reicht es nicht für eine gute Ausrede. Warum glaube ich, Rausgehen sei eine Art Zeitverschwendung? Wo es doch schon selten genug vorkommt. Was könnte ich verpassen? Den Blaster? Das selbstreferentielle Sich-im-Kreis-Drehen hier? Außerdem habe ich gerade einen überdurchschnittlichen Teller Barilla Nr. 5 mit Pesto und Parmesan in mich hineingeschlungen. Warum also nicht in den Morgen tanzen?
Na klar, das Standard-Totschlagargument: Ich bin ja so alleine. Zählt nicht. Alleine bin ich ja hier am meisten. Ich glaube, ein einsameres Medium als den Blaster gibt es gar nicht.
Nächstes Argument: Die Kohle. Könnt' ja was kosten. Ein paar Wodka Energy oder so'n Zeug. Lächerlich. Die paar Kröten. Um die H. zu beeindrucken bist du vor ein paar Wochen 250 km in einen Szene-Club gefahren - mit einem Mietwagen, der nicht gerade Polo-Klasse war. Also, das Kohle-Argument zieht überhaupt nicht.
Und dann wäre da noch dieses Zweifeln: Wozu das alles? Du wirst dort sowieso keinen Anschluß finden. Alleine in deine Trance verfallen auf der Tanzfläche, gesehen von niemandem, gespürt von niemandem - was dir ja ganz recht wäre, zumindest lieber, als von irgendwelchen Deppen beobachtet zu werden, die herausgefunden haben, wie uncool du bist.
Ja, und die Verlockung, hier zu bleiben. Hier, wo das Bett ist. Und der Blaster. Alles viel gemütlicher, wie trautes Heim.
Mir kommt meine Kindheit hoch, säuerlich. Veränderung war das einzig Böse. Sie wurde stets aufgezwungen. Hachja, Herr Püschater. Wer Entwicklung will, sollte Veränderung nicht ablehnen. Alles klar, alles logisch.
Argumente hin und her, das hab' ich schon im Kindergarten am liebsten gemacht. Immer ein bisschen parteiisch, im Zweifel für das Altbewährte.

Die Kacheln sind besprenkelt, aber eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Ich fahr' jetzt los.


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